Ein Meisterwerk: das ironische Melodram „Tabu“
Schon als Kuriosum wäre dieser Film sehenswert: Der portugiesische Regisseur Miguel Gomes, Jahrgang 1972, hat ihn in Schwarzweiß und überwiegend stumm inszeniert. Die Haupthandlung ist irgendwo in Afrika angesiedelt – das Land wird nicht näher benannt, Gomes’ Mutter kam in Angola zur Welt, aber beim Schauplatz könnte es sich ebensogut um die portugiesischen Kolonien Mosambik, Guinea-Bissau oder Kap Verde handeln. Hier spielt sich die Geschichte einer verbotenen Liebe ab. Und es ist der Ton, mit dem vom Ehebruch zweier Kolonialisten erzählt wird, der den Film einzigartig macht und seine Festivalerfolge erklärt.
Melodramen sind in der Regel ironiefrei, parodistisch oder distanziert-kühl. Gomes meistert alle Haltungen gleichzeitig. Sachlich bis amüsiert beobachtet er Menschen, die aufrichtig lieben. Als Zuschauer erlebt man die Distanz wie die Intensität, man schmunzelt und ist gerührt. Es sieht alles so einfach aus, wie ein verspielter Studentenfilm, und trotzdem hat man es noch nie in der Form gesehen. „Tabu“ist ein kleines Meisterwerk, ein Kinowunder. Als Vergleich drängt sich trotz des identischen Titels nicht Murnaus Südsee-Klassiker „Tabu“auf, sondern der letzte Oscar-Sieger „The Artist“. sehr gut okay schlecht