BLB versenkt 38 Millionen Euro in Bochum
Das Justizzentrum wird drei Jahre zu spät fertig und viel teurer als geplant. Das NRW-Finanzministerium nennt die ursprüngliche Planung des landeseigenen Bau- und Liegenschaftsbetriebes (BLB) „unrealistisch“.
DÜSSELDORF Der Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW (BLB) produziert gerade einen neuen Bauskandal: Der Neubau des Bochumer Justizzentrums wird frühestens Ende 2016 und damit drei Jahre später als geplant fertig. Außerdem werden die ursprünglich bewilligten Kosten um mindestens 38 Millionen Euro überschritten. In einer von BLBChef Martin Chaumet unterschriebenen Akten-Notiz, die unsere Redaktion eingesehen hat, heißt es sogar: „Die Höhe der Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften beträgt insgesamt 45,19 Millionen Euro.“Zum Vergleich: Das ist mehr als ein Fünftel des jährlichen Einsparpotenzials, das soeben das so genannte Effizienzteam der NRW-Regierung als bestmögliche jährliche Sparleistung im gesamten Landeshaushalt identifiziert hat.
Gegen die landeseigene Behörde ermitteln bereits mehrere Staatsanwälte, Fahnder des Landeskriminalamtes und ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss des Landtages. Anlass ist eine bundesweit einmalige Kette von Bauskandalen, die den Verdacht auf Korruption schüren. So verschlang der Bau eines Landesarchivs in Duisburg mindestens 200 statt der ursprünglich angekündigten 52 Millionen Euro Steuergeld. Im vergangenen Jahr wurde durch einen Bericht dieser Zeitung bekannt, dass auch die Kosten beim Neubau einer Fachhochschule in Bielefeld um rund 100 Millionen Euro aus dem Ruder liefen. Insgesamt gibt es bei rund einem Dutzend BLB-Projekten aus der jüngeren Vergangenheit erhebliche Ungereimtheiten.
In das Bochumer Justizzentrum sollen auf 10 000 Quadratmetern Grund ein Amts-, ein Land- und ein Arbeitsgericht einziehen. „Der im März 2010 unter der Vorgängerregierung genehmigte Investitionsantrag sah auf Basis einer Kostenschätzung einen Betrag von 107,4 Millionen Euro vor“, erklärt der BLB. Der Frage, mit welchen Kosten er heute bei dem Projekt rechnet, weicht der BLB aus: „Die Risiken konnten damals in dem Investitionsantrag noch nicht genau beziffert werden. Aus diesem Grunde rechnen wir heute mit Mehrkosten.“In einer internen Kostenübersicht des BLB, die unsere Zeitung ebenfalls eingesehen hat, beziffert BLB-Chef Chaumet persönlich die aktuell kalkulierten Gesamtkosten aber ziemlich genau: „Die neue Gesamtsumme der Maßnahme ,Justizzentrum Bochum, Ersatz-Neubau’ beträgt damit 145 782 000 Euro.“Demnach betragen die bislang bekannten Mehrkosten schon 38,38 Millionen Euro.
In seiner Stellungnahme räumt der BLB lediglich eine „Drohverlust- rückstellung von derzeit rund 40 Millionen Euro“ein. Drohverluste sind eigentlich nur befürchtete Verluste. Und gemessen an den 45,19 Millionen Euro, die der BLB laut der Aktennotiz offenbar tatsächlich zurückgestellt hat, ist das auch zu optimistisch abgerundet. Der BLB will den Drohverlusten „Einsparungen für die Instandhaltung und Modernisierung des Altbaus von über 30 Millionen Euro“gegenübergestellt wissen, „die ohne den Neubau vom BLB NRW zu tragen gewesen wären“. Auch das ist verwirrend. Denn der Neubau hat ja eben diese Arbeiten am Altbau ersetzt. Die deshalb dort gar nicht angefallenen Kosten erklären also nicht, warum die tatsächlichen Kosten beim Neubau ausufern.
Der BLB begründet die Zeit- und Kostenüberschreitung mit „der Insolvenz eines beauftragten Planungsbüros“sowie „Vergabebeschwerden durch Baufirmen“. Diese Beschwerden seien allesamt zwar als unbegründet abgewiesen worden, hätten dennoch zu erheblichem Zeitverzug geführt.
Laut NRW-Finanzministerium, dessen Staatssekretär Rüdiger Messal dem BLB-Verwaltungsrat vorsitzt, war die ursprüngliche Zeitund Kostenplanung aus dem Jahr 2010 von Anfang an „unrealistisch“. In den Jahren 2011 und 2012 habe der Verwaltungsrat jeweils „Nachträge“zu dem Projekt beschlossen. Das nächste Mal tagt der Verwaltungsrat im April. Es könnte eine turbulente Sitzung werden.