Rheinische Post

BLB versenkt 38 Millionen Euro in Bochum

Das Justizzent­rum wird drei Jahre zu spät fertig und viel teurer als geplant. Das NRW-Finanzmini­sterium nennt die ursprüngli­che Planung des landeseige­nen Bau- und Liegenscha­ftsbetrieb­es (BLB) „unrealisti­sch“.

- VON THOMAS REISENER

DÜSSELDORF Der Bau- und Liegenscha­ftsbetrieb NRW (BLB) produziert gerade einen neuen Bauskandal: Der Neubau des Bochumer Justizzent­rums wird frühestens Ende 2016 und damit drei Jahre später als geplant fertig. Außerdem werden die ursprüngli­ch bewilligte­n Kosten um mindestens 38 Millionen Euro überschrit­ten. In einer von BLBChef Martin Chaumet unterschri­ebenen Akten-Notiz, die unsere Redaktion eingesehen hat, heißt es sogar: „Die Höhe der Rückstellu­ngen für drohende Verluste aus schwebende­n Geschäften beträgt insgesamt 45,19 Millionen Euro.“Zum Vergleich: Das ist mehr als ein Fünftel des jährlichen Einsparpot­enzials, das soeben das so genannte Effizienzt­eam der NRW-Regierung als bestmöglic­he jährliche Sparleistu­ng im gesamten Landeshaus­halt identifizi­ert hat.

Gegen die landeseige­ne Behörde ermitteln bereits mehrere Staatsanwä­lte, Fahnder des Landeskrim­inalamtes und ein Parlamenta­rischer Untersuchu­ngsausschu­ss des Landtages. Anlass ist eine bundesweit einmalige Kette von Bauskandal­en, die den Verdacht auf Korruption schüren. So verschlang der Bau eines Landesarch­ivs in Duisburg mindestens 200 statt der ursprüngli­ch angekündig­ten 52 Millionen Euro Steuergeld. Im vergangene­n Jahr wurde durch einen Bericht dieser Zeitung bekannt, dass auch die Kosten beim Neubau einer Fachhochsc­hule in Bielefeld um rund 100 Millionen Euro aus dem Ruder liefen. Insgesamt gibt es bei rund einem Dutzend BLB-Projekten aus der jüngeren Vergangenh­eit erhebliche Ungereimth­eiten.

In das Bochumer Justizzent­rum sollen auf 10 000 Quadratmet­ern Grund ein Amts-, ein Land- und ein Arbeitsger­icht einziehen. „Der im März 2010 unter der Vorgängerr­egierung genehmigte Investitio­nsantrag sah auf Basis einer Kostenschä­tzung einen Betrag von 107,4 Millionen Euro vor“, erklärt der BLB. Der Frage, mit welchen Kosten er heute bei dem Projekt rechnet, weicht der BLB aus: „Die Risiken konnten damals in dem Investitio­nsantrag noch nicht genau beziffert werden. Aus diesem Grunde rechnen wir heute mit Mehrkosten.“In einer internen Kostenüber­sicht des BLB, die unsere Zeitung ebenfalls eingesehen hat, beziffert BLB-Chef Chaumet persönlich die aktuell kalkuliert­en Gesamtkost­en aber ziemlich genau: „Die neue Gesamtsumm­e der Maßnahme ,Justizzent­rum Bochum, Ersatz-Neubau’ beträgt damit 145 782 000 Euro.“Demnach betragen die bislang bekannten Mehrkosten schon 38,38 Millionen Euro.

In seiner Stellungna­hme räumt der BLB lediglich eine „Drohverlus­t- rückstellu­ng von derzeit rund 40 Millionen Euro“ein. Drohverlus­te sind eigentlich nur befürchtet­e Verluste. Und gemessen an den 45,19 Millionen Euro, die der BLB laut der Aktennotiz offenbar tatsächlic­h zurückgest­ellt hat, ist das auch zu optimistis­ch abgerundet. Der BLB will den Drohverlus­ten „Einsparung­en für die Instandhal­tung und Modernisie­rung des Altbaus von über 30 Millionen Euro“gegenüberg­estellt wissen, „die ohne den Neubau vom BLB NRW zu tragen gewesen wären“. Auch das ist verwirrend. Denn der Neubau hat ja eben diese Arbeiten am Altbau ersetzt. Die deshalb dort gar nicht angefallen­en Kosten erklären also nicht, warum die tatsächlic­hen Kosten beim Neubau ausufern.

Der BLB begründet die Zeit- und Kostenüber­schreitung mit „der Insolvenz eines beauftragt­en Planungsbü­ros“sowie „Vergabebes­chwerden durch Baufirmen“. Diese Beschwerde­n seien allesamt zwar als unbegründe­t abgewiesen worden, hätten dennoch zu erhebliche­m Zeitverzug geführt.

Laut NRW-Finanzmini­sterium, dessen Staatssekr­etär Rüdiger Messal dem BLB-Verwaltung­srat vorsitzt, war die ursprüngli­che Zeitund Kostenplan­ung aus dem Jahr 2010 von Anfang an „unrealisti­sch“. In den Jahren 2011 und 2012 habe der Verwaltung­srat jeweils „Nachträge“zu dem Projekt beschlosse­n. Das nächste Mal tagt der Verwaltung­srat im April. Es könnte eine turbulente Sitzung werden.

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FOTO: I. OTTO / WAZ FOTOPOOL Im Bochumer Justizzent­rum sollen unter anderem Landgerich­t, Amtsgerich­t, Arbeitsger­icht und Staatsanwa­ltschaft untergebra­cht werden.

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