Abstieg – unsere Wunschkandidaten
Die Redaktion präsentiert eine nicht ganz ernst gemeinte Wunschliste, frei von moralischen, fast frei von fachlichen Erwägungen.
Berlin bekommt immer wieder eine Extrawurst. Das war schon in den 60er-Jahren so, als Hertha BSC wegen Mauscheleien aus der Bundesliga zwangsabsteigen musste, dafür dann aber die alles andere als wettbewerbsfähige Tasmania nachrücken durfte – ein Politikum, damit die gebeutelte Hauptstadt erstklassig blieb. Das setzte sich später fort, als Hertha sportlich zu schwach war, in der Bundesliga mitzuhalten. Da hörte man allseits das Gejammere, diese Stadt gehöre doch in die Liga. Warum eigentlich? Als Hertha 2012 die Relegation gegen Fortuna Düsseldorf verlor und wieder einmal aus der Bundesliga abstieg, zog der Klub alle Register der Peinlichkeit und belästigte FußballDeutschland mit einer Prozesslawine. Die Blau-Weißen fabulierten von Halbangst, konnten die sportliche Niederlage nicht akzeptieren. Deshalb, ihr Berliner: Steigt doch bitte einfach noch einmal ab. Dann geht ihr zwar der Zweiten Liga auf die Nerven – aber vielleicht findet ihr ja wieder einen Grund, vor Gericht zu ziehen.
Bernd Jolitz Ein Fußballverein wie ein regnerischer Montagnachmittag. Trist, farblos, und man wünscht sich, dass es schnell vorübergeht. Hannover 96 dümpelt mit seinem Rumpel-Fußball seit Jahren im Niemandsland der Liga herum. Keine Identifikationsfiguren (Kennen Sie einen Spieler?), kein taktischer und spielerischer Esprit. Fankultur? Gelebtes Mittelmaß, wohin man schaut. Wenn Hannover 96 ein Möbelstück wäre, wäre es eine kastanienbraune Schrankwand aus den 1960er Jahren. Irgendwie stabil, aber ohne Sexappeal. Hinzu kommt ein cholerischer Präsident, der sich als Miniatur-Hoeneß gibt und seine Trainer so oft rausschmeißt wie Ernst August Regenschirme nach Paparazzi. Dass die Stadt eigentlich gar nicht so fad wie ihr wichtigster Klub ist, ist nur ein schwacher Trost. Hannover 96 muss nicht in die Bundesliga. Die zweite Spielklasse wirkt wie maßgeschneidert. Groß war dieser Verein nur einmal, als er würdevoll und stolz seinen verstorbenen Ex-Torhüter Robert Enke verabschiedete. Das war 2009. Ewig her.
Michael Bröcker
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Hertha BSC
Hamburger SV
SC Freiburg
Hannover
SC Paderborn
VfB Stuttgart Warum zum Teufel dauert ein Fußballspiel 90 Minuten? 87 tun’s doch auch – denkt sich der gemeine Fan des SC Freiburg, wenn er am Samstagnachmittag mit Kind und Kegel ins Stadion an der schönen Dreisam pilgert. Allein sechsmal kassierten die Breisgauer nach besagter Minute noch den Ausgleich und verspielten so zwölf Punkte. Mit diesen Zählern hätte die Mannschaft 43 Punkte und würde nicht gegen den Abstieg, sondern um die Europapokal-Teilnahme spielen. Noch dazu stellt der SC Freiburg die beste Defensive aller Abstiegskandidaten, kassierte erst 44
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38:58 Nein, natürlich haben auch Dinos kein ewiges Recht auf den Verbleib in der Fußball-Bundesliga. Aber ausgerechnet Stuttgart soll absteigen? Ein Verein, der im Abstiegskampf gegenwärtig so herrlich leidenschaftlich fightet, dessen Kader eigentlich viel zu gut ist für die Zweite Liga und den seine Fans in den vergangenen Wochen so wunderbar unterstützt haben? Und selbst wenn wir diese Argumente alle nicht hochsterilisieren wollen, wie Ex-Trainer Bruno Labbadia es formulieren würde - fragen Sie mal beim Privatsender Sky nach. Die würden sich über den Klassenerhalt der Schwaben auch freuen, weil jeder VfB-Auftritt bessere Einschaltquoten verspricht als die der Champions-League-Teilnehmer respektive -Aspiranten Wolfsburg und Leverkusen. Wo wir uns gerade in Rage schreiben: Wie sollen wir eigentlich ohne Stuttgart und Hamburg statistisch fundierte Bundesliga-Tipps erstellen - mit Ingolstadt, Paderborn und Darmstadt? Deshalb: Der VfB muss es einfach schaffen, wenigstens in der Relegation.
Georg Winters
Gegentreffer. Gegen die Bayern – bei denen nach dem Champions-League-Aus die Luft raus sein könnte – und im Abstiegsendspiel bei Hannover müssen dringend Punkte her. Zum Glück kann die Elf von Christian Streich (der mit dem Jack-Nicholson-Blick) Abstiegskampf – und hat obendrein noch einen Trainer, der als Meister der Mannschaftsansprache gilt. Wenn Streich seinen Jungs ordentlich einheizt, ist das sechste Bundesliga-Jahr in Folge gesichert.
Jasmin Buck Der Hamburger SV bewirbt sich seit Jahren durch Misswirtschaft und schlechten Fußball um den Abstieg aus der Bundesliga. In dieser Saison soll das endlich klappen. Die Voraussetzungen sind beinahe so günstig wie im vergangenen Jahr, als es lediglich mit viel Dusel und durch die Relegation so gerade noch für den Klassenerhalt reichte. Die Vorarbeiten sind auch in dieser Spielzeit vielversprechend gewesen. Monatelang traf überhaupt niemand für die Hamburger ins Netz – allenfalls mal auf der eigenen Seite. Wunderbar viele Trainer durften sich versuchen, für einige Wochen sogar der vorübergehend einstige Sportdirektor. Gezahlt wurde weiterhin auf Champions-League-Niveau, weil das zur edlen Kaufmannsstadt im Norden so recht zu passen schien. Und in der Klubführung durfte auch jeder mal sagen, wo es langgehen soll. Leider hat sich zuletzt mal ein Ansatz von Aufschwung eingeschlichen. Das könnte dazu führen, dass einem der HSV doch erhalten bleibt. Schlimm.
Robert Peters Der Aufenthalt des SC Paderborn wird nur eine kurze Episode in der Geschichte der Bundesliga. Nach einem Jahr müssen die Ostwestfalen absteigen – auch wenn sie heute auf Schalke auf den vielleicht formschwächsten Klub der Liga treffen. Vermissen wird die Paderborner im kommenden Jahr kaum jemand, falls (was zu wünschen wäre) Darmstadt 98 die Rolle des liebenswerten Exoten in der Bundesliga übernimmt. Was bleibt von diesem einen Jahr mit Paderborn? Trainer André Breitenreiter hat sich einen guten Ruf erarbeitet und kommt mit Sicherheit an einer besseren Adresse unter; Hannover 96 war ja schon im Gespräch. In Erinnerung bleibt auch das Rekordtor von Moritz Stoppelkamp („Ich wusste überhaupt nicht, dass ich so weit schießen kann“) aus 81,98 m gegen Hannover. Aber ansonsten? Paderborn ist ein „One hit wonder“der Bundesligageschichte, so wie zuvor etwa Preußen Münster oder die SpVgg Greuther Fürth. Die vermisst heute auch kaum jemand.
Martin Beils