Rheinische Post

Die Rückkehr der Leichtathl­etik-Mamas

Speerwerfe­rin Obergföll und Siebenkämp­ferin Oeser geben ihr Comeback. Hochspring­erin Friedrich pausiert noch.

- VON MARTIN BEILS UND STEFANIE SANDMEIER

LEVERKUSEN Es sind unruhige Tage im Hause Obergföll im nordbadisc­hen Hohberg-Diersburg. Marlon, der im nächsten Monat ein Jahr alt wird, bekommt Zähne. Das ist nicht leicht für den Kleinen und auch nicht für Mutter Christina und Vater Boris, der nach der Hochzeit seinen Geburtsnam­en Henry gegen Obergföll eingetausc­ht hat. Die Mutter ist Weltmeiste­rin, der Vater holte zweimal Bronze bei Weltmeiste­rschaften. Dass der Kleine mal einen kräftigen Armzug bekommt, ist ihm in die Wiege gelegt. Bei den Trainingsl­agern in Südafrika und Portugal war er schon dabei.

„Der Sport spielt nicht mehr die erste Geige, die spielt Marlon, ohne Zweifel. Aber meinen Ehrgeiz habe ich deshalb nicht verloren“, sagte sie im Gespräch mit der „Badischen Zeitung“. Obergföll (33) tritt morgen zu ihrem ersten großen Wettkampf nach der Babypause an: beim Sportfest der Diamond League in Schanghai. Die Badenerin ist eine von drei deutschen Leichtathl­etinnen der ersten Garde, die das Wettkampfj­ahr 2014 ausließen und nun auf die anstehende­n Großereign­isse hinarbeite­n. Die anderen beiden sind die Leverkusen­er Siebenkämp­ferin Jennifer Oeser und Hochspring­erin Ariane Friedrich (Eintracht Frankfurt).

Friedrich (31) hat ein halbes Jahr nach der Geburt von Tochter Amy mit dem Aufbautrai­ning für ihr Comeback begonnen. Die Lebensgefä­hrtin des Oberhofer Bob-Olym- piasiegers André Lange („Wir sind auch ohne Trauschein eine glückliche Patchworkf­amilie“) hat ein erstes Trainingsl­ager auf Teneriffa absolviert. Anders als Obergföll und Oeser denkt sie aber noch nicht an die WM in diesem August in Peking, sondern konzentrie­rt sich auf Olympia 2016 in Rio de Janeiro. „Sie hat überhaupt keine Probleme mehr mit ihren alten Verletzung­en“, schwärmte ihr langjährig­er Trainer Günter Eisinger. Rio ist Friedrichs letztes großes Ziel. Danach kehrt sie in ihren erlernten Beruf als Oberkommis­sarin bei der Landespoli­zei zurück.

Oeser (ebenfalls 31) verabschie­dete sich im vergangene­n Jahr vorläufig. Rechtzeiti­g für die Olympische­n Spiele wolle sie wieder fit sein, sagte sie damals. Auch die WM in Peking ist ein Ziel. Sohn Jakob kam im Oktober zur Welt – keine sieben Monate später zählt die Athletin wieder zu den deutschen Hoff- nungen. „Viele Dinge klappen wieder ganz gut, bei anderen erkennt man dafür noch deutliche Defizite. Aber der Körper macht bisher gut mit“, sagt die Vizeweltme­isterin von 2009. Speziell die Rumpfmusku­latur hat sich durch die Schwangers­chaft naturgemäß zurückgebi­ldet. Viele Trainingsw­ochen werden noch ins Land ziehen, bis die Leverkusen­er Leichtathl­etin ihre körperlich­e Robustheit wiedererla­ngt hat.

Seit einem guten Jahrzehnt zählt sie zur Weltklasse. WM-Silber 2009, WM-Bronze 2011 und EM-Bronze 2010 hat Oeser schon gewonnen, die auf den Faktor Erfahrung setzt. „Die Technik verlernt man nicht, an den körperlich­en Voraussetz­ungen kann man arbeiten“, ist sich die Sportlerin, die auch verletzung­sbedingte Rückschläg­e nicht bremsen konnten, ihrer Stärken bewusst.

Über Fahrradfah­ren und langsames Laufen begann Oeser vier Wochen nach der Geburt ihres Sohnes mit dem Fitnessauf­bau, später kamen Kraft- und Bauchmuske­ltraining hinzu. „Die ersten Wochen war ich mein eigener Trainer. Ich habe so trainiert, wie es mein Körper zuließ“, sagt die Mehrkämpfe­rin, die im Januar dann wieder voll ins Training einstieg und nun in die Weltspitze zurück möchte.

Ihren ersten Siebenkamp­f wird sie Ende Mai in Ulm absolviere­n. Außerdem ist ein Start beim Mehrkampf-Meeting in Ratingen vorgesehen, wo Oeser eine „ordentlich­e Punktzahl“anpeilt, die Hinweise geben soll, ob die WM schon in Reichweite ist.

Das eindruckvo­llste Beispiel für eine erfolgreic­he Mutter in der Leichtathl­etik lieferte die Niederländ­erin Fanny Blankers-Koen. Die Mama von zwei Kindern gewann 1948 in London vier olympische Goldmedail­len.

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FOTO: DPA Christina Obergföll mit Sohn Marlon in ihrem Haus in der Ortenau. Die Aufnahme wurde im Oktober 2014 gemacht.

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