Rheinische Post

VERLAUB! Unteroffiz­iere im Regiment Ihrer Majestät

Viel zu selten blitzt in diesen unsicheren Zeiten politische Exzellenz auf. Und wenn sie einmal aufblitzt, dann nicht dort, wo es eigentlich sein müsste.

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Es mag Zufall sein, auf jeden Fall fällt es angenehm auf, dass in diesen Tagen der Schrecken, der schwindend­en Sicherheit­en und der abwechseln­d hilf- und belanglos redenden Staatspers­onen vom Kanzleramt abwärts drei Persönlich­keiten von sich reden machen: Friedrich Merz, Roland Koch, Wolfgang Bosbach. Die bürgerlich-liberalen Schwergewi­chte.

Ich meine, das sehnsüchti­ge Aufstöhnen von Menschen zu hören, die nicht ohnehin viel lieber von Sigmar Gabriel, Anton Hofreiter und Sahra Wagenknech­t regiert würden. Was gäben Bürgerlich- oder Konservati­v-Liberale darum, wenn die drei bewährten Männer Merz, Koch und Bosbach in der ersten Reihe der Christdemo­kratie wirkten.

Liebe Bürgerlich-Liberal-Konservati­ve, hören Sie auf zu träumen. Keiner der drei will, kann oder konnte etwas werden im Merkel-Regiment, in dem es schon in den zu- rückliegen­den Jahren beflissen dienenden Unteroffiz­ieren Ihrer Majestät gelungen war, reihenweis­e Talente mit Offiziersp­atent von der Kaserne fernzuhalt­en. Putschvers­uche gab es nicht. Mit Verlaub, so etwas tun Bürgerlich­e nicht.

Friedrich Merz und Roland Koch – der eine mit einem formidable­n Phoenix-Fernsehint­erview zu politische­r Führung, der andere mit einem lesenswert­en Gastbeitra­g zu Europa in der „FAZ“– zeigten noch einmal, was politisch-analytisch in ihnen steckt. Merz und Koch, die geborene Christdemo­kraten sind, bewiesen einmal mehr, wie grob fahrlässig oder berechnend die MerkelCDU ihre Besten ziehen ließ.

Alte Erfahrung: Wenn sich die Mittelmäßi­gen zusammentu­n, hat selbst der Vorzüglich­e schlechte Karten. Während man Friedrich Merz und Roland Koch persönlich nicht bedauern muss, da beide in auskömmlic­he Gefilde entschwan- den und sich heute als Halb-Pensionäre viel zu schade sind, um die Gunst Ihrer Majestät zu buhlen, umweht Wolfgang Bosbach Tragik. Er ist seit Jahren durch eine gefährlich­e Krankheit gehandicap­t. Der Kämpfer aus dem Rheinisch-Bergischen kann als Kommunikat­ionsgenie des Bürgerlich­en noch so viel Vernünftig­es zur riskanten Euro-Rettungspo­litik, zur fragwürdig­en Toleranz gegenüber Intolerant­en, zu Merkels waghalsige­n Manövern in der Zuwanderun­gspolitik sagen – immer steht die Anschlussf­rage im Raum: Wie lange hält er durch, wann schwinden Kraft und Streitlust bei diesem Volks-Vertreter wie aus dem Lehrbuch des Parlamenta­rismus?

Es ist ein Jammer. Die Zeiten sind arg und verlangen nach politische­r Exzellenz. Doch viel zu selten blitzt sie auf.

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