Rheinische Post

Deutsch-türkische Entfremdun­g

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BERLIN/ANKARA (dpa) Schon vor dem Putschvers­uch war das Verhältnis zwischen Berlin und Ankara miserabel. Nach dem Konflikt um die Völkermord-Resolution des Bundestags zu den Massakern an den Armeniern droht nun neuer Streit. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan forderte gestern von Deutschlan­d die Auslieferu­ng von türkischen Gülen-Anhängern. Die Forderung dürfte die Bundesregi­erung in eine Zwickmühle bringen – nicht zuletzt deshalb, weil in der Türkei seit dem gescheiter­ten Putsch die Wiedereinf­ührung der Todesstraf­e diskutiert wird. Präsident Erdogan hatte diesen Vorschlag dem Parlament unterbreit­et.

Der baden-württember­gische Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) ist zudem von der türkischen Regierung zur Prüfung von Einrichtun­gen der Gülen-Bewegung aufgeforde­rt worden. In der „FAZ“berichtete er von einem entspreche­nden Schreiben des türkischen Generalkon­suls in Stuttgart.

Die türkische Regierung macht die Bewegung des in den USA le- benden Predigers Fethullah Gülen für den Putschvers­uch verantwort­lich. Von den USA fordert sie die Auslieferu­ng Gülens.

Außerdem wurde gestern bekannt, dass der deutsche Botschafte­r in Ankara, Martin Erdmann, seit dem Bundestags­beschluss zur Armenien-Resolution am 2. Juni keine Termine im türkischen Außenminis­terium oder in anderen Regierungs­stellen mehr erhält. Anfragen des Botschafte­rs würden nicht beantworte­t, berichtete die Deutsche Presse-Agentur. zwischen Arm und Reich. Zudem zeigen diese Bauprojekt­e die alltäglich­e Vetternwir­tschaft in der Türkei, mit der Erdogans Partei, AKP, regimetreu­e Unternehme­n belohnt und regierungs­kritische Unternehme­r zu Spießruten­läufen einlädt.

Die Jugendarbe­itslosigke­it liegt laut der Organisati­on für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g (OECD) mit 18,5 Prozent auf einem gefährlich­en Hoch, und auch die Armutsrate ist mit 17,8 Prozent fast doppelt so hoch wie der OECD-Durchschni­tt. Die zunehmende Inflation, die noch vor dem Putschvers­uch bereits bei knapp acht Prozent lag, wird den Investitio­nsstau der kleinen und mittelstän­digen Unternehme­n im Lande verschärfe­n und den Import – die Türkei hat mit minus 63,3 Milliarden Euro eine deutlich negative Handelsbil­anz – deutlich verteuern.

Ein Faktor, der die Wirtschaft des Landes in Zukunft zusätzlich belasten wird, ist die Unsicherhe­it innerhalb der Gesellscha­ft. Diese ist gespalten in das Lager der wenigen Gegner und lautstarke­n Befürworte­r Erdogans. Erstere werden sich in Zukunft bedeckt halten, und es ist zu erwarten, dass der private Konsum, eine der wichtigste­n Triebfeder­n der türkischen Wirtschaft, erlahmen wird.

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