Rheinische Post

„Frauke Petry war als Schülerin völlig unpolitisc­h“

Für ein neues Buch hat der frühere Chemielehr­er der Politikeri­n sehr charmant aus dem Nähkästche­n geplaudert.

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BERLIN Für sein Ebook „Als sie noch zur Schule gingen“hat „Cicero“-Autor Constantin Magnis die Lehrer einiger Polit-Promis aufgespürt und sich erzählen lassen, wie sie als Schüler so waren: Angela Merkel, Frank-Walter Steinmeier, Jürgen Trittin, Julia Klöckner und andere. Hier die Geschichte von Harald Sparringa, dem ehemaligen Chemielehr­er von Frauke Petry (AfD). Petry machte 1995 Abitur am Städtische­n Gymnasium in Bergkamen.

Als Schülerin war Frauke ein liebenswer­tes, nettes, freundlich­es junges Ding. Sie war hübsch, hatte mittellang­es Haar und war gesprächig, obwohl sie nie über sich oder persönlich­e Dinge sprach. Vor allem aber war Frauke extrem ehrgeizig. Diesen Ehrgeiz habe ich dem Kindlichen zugeordnet und gedacht: Das wächst sich mit zunehmende­m Alter aus. Sie kam ja aus dem Osten, hatte es sicherlich nicht leicht hier und musste auch zeigen, dass sie auf einem westdeutsc­hen Gymnasium zurechtkom­mt.

Ihre allererste Klausur im Leistungsk­urs war keine Eins, sondern eine Zwei plus, und bei dem Mädel flossen die Tränen. Ich wollte sie damals fast in den Arm nehmen, um sie zu trösten, habe es aber natürlich nicht gemacht. Ich habe das vor dem Hintergrun­d ihrer Biographie gesehen und nicht überbewert­et. Für die Mitschüler nicht immer angenehm. Aber es gab Mitschüler, die sich beschwert haben, dass Frauke in ihrer Klasse alles dominierte. Denn kaum hatte der Lehrer eine Frage gestellt, hatte Frauke den Finger oben, immer mit so einer akustische­n Untermalun­g, so ein: „Hhm, hhm, hhm!“Das war für die Mitschüler nicht immer angenehm. Es gab keinen Streit, aber einige hatten Angst, dabei zu kurz zu kommen.

Es hat sie nicht beliebter gemacht, dass sie Mitschüler­n gegenüber deutlich machte, dass ihr die Schule hier kaum gefällt und es im Osten anspruchsv­oller und besser gewesen sei. Die Mitschüler haben sich über die Verbindung zu Sven Petry gewundert, der erst ihr Freund und später ihr Ehemann wurde, denn er gehörte zu den beliebtest­en und akzeptiert­esten Schülern der Stufe. Ich erinnere mich an eine gemeinsame Kursfahrt, auf der sie ihn komplett für sich in Beschlag nahm. Diese Beziehung hatte den Charakter einer Symbiose.

Im Lehrerzimm­er wurde Frauke positiv bewertet, sie war ja eine flei- ßige Schülerin, und der Laden muss schließlic­h laufen. Und sie war ja nicht nur in Naturwisse­nschaften gut, sondern auch in anderen Fächern. Der Vater trat in der Schule eigentlich nicht in Erscheinun­g, ihre Mutter Renate Marquardt aber sehr wohl. Die Frauke Petry von heute erinnert mich sehr stark an die Mutter von damals, die ebenfalls Chemikerin war und enormen Ehrgeiz hatte. Beim Elternspre­chtag hat sie sich sogar ganz konkret eingemisch­t und wollte mir als Lehrer sagen, was ich zu unterricht­en hätte. Das fand ich schon sehr befremdlic­h. Auch weil ich wusste, dass ich einen sehr anspruchsv­ollen Unterricht mache, das habe ich ihr damals auch so gesagt. In meinen Kursen sind viele spätere Chemiker entstanden, und auch Frauke hat ja an der Uni mit Chemie weitergema­cht.

Frauke war keine politische Schülerin, überhaupt nicht. Aber sie und ihre Mutter kritisiert­en immer wieder das westdeutsc­he Schulsyste­m und erklärten, das im Osten sei anspruchsv­oller. Politisch hatte ich zu Fraukes Mutter häufiger Kontakt. Ich war im Stadtrat lange Mitglied der Grünen-Fraktion, Renate Marquardt war als sogenannte sachkundig­e Bürgerin ebenfalls im Stadtrat, für das Bürgerbünd­nis Bergauf, das von der Marxistisc­h-Leninistis­chen Partei Deutschlan­ds dominiert ist. Sie war es auch, die ihre Tochter schließlic­h zur AfD gebracht hat. Denn kurz nachdem Frauke später mit ihrer Firma insolvent gegangen ist, hat ihre Mutter sie auf die Wahlaltern­ative 2013 aufmerksam gemacht, aus der später die AfD wurde.

Frauke und ich hatten bis vor einiger Zeit noch persönlich­en Kontakt. Und als es bei der AfD noch vor allem um den Euro ging, hätte ich mit Frauke noch diskutiere­n können. Aber inzwischen hat sie sich völlig verrannt. Ich hab ihr vor etwa einem Jahr geschriebe­n: „Frauke, ich habe Angst um Dich, Deine Zukunft und Deine Familie.“Aber darauf gab es keine Antwort.

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FOTO: DPA Frauke Petry Anfang des Monats bei einer Diskussion in Nauen.

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