Rheinische Post

Wie ein Lackaffe sympathisc­h wurde

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Immer wieder erfrischen­d ist es, bei den Festspiele­n Leute mit interessan­ten Ansichten zu Kunst und Welt kennenzule­rnen. Gleichwohl pflegt man seine Vorurteile, etwa was die Sozialvert­räglichkei­t von Snobs und Lackaffen betrifft.

Vorgestern kam in meinem Salzburger Hotel (in dem ich seit 32 Jahren einkehre) ein Ehepaar an, dessen Auto das Gegenteil einer Unterklass­enkarre war. Kennzeiche­n: Baden-Baden. Und schon das Entrée an der Rezeption verriet den krisensich­eren Kontostand: „Könnten Sie uns noch zwei Karten für ,Jedermann’ besorgen? Preis spielt keine Rolle.“Die Caro, beste Rezeptioni­stin der Welt, rollte innerlich mit den Augen und tat ihr Bestes. Natürlich gelang die Buchung.

Beim Abendessen erfuhr man durch einen unvermeidl­ichen Lauschangr­iff – ich saß am Nachbartis­ch –, dass die Herrschaft­en von einem vierwöchig­en Bergwander­urlaub durch die Julischen Alpen kamen. Nur Hütten. Ach guck! Wir kamen ins Gespräch, das in ausführlic­he Berichte von der schroffen alpinen Einsamkeit in Julisch Venetien mündete. Nun rollte auch ich mit meinen inneren Augen, aber langsamer als Caro. Danach fragte die Dame die Bedienung in der Wirtsstube, ob sie ihre Schmutzwäs­che durch die hauseigene Maschine jagen dürfe; alles rieche wie nach vier Wochen Entfernung von der Zivilisati­on. Ich wollte es nicht wissen, aber egal. Caro genehmigte.

Gestern sah ich den Herrn vor dem Frühstück Strümpfe, T-Shirts und Unterwäsch­e an die lange Wäschelein­e im Garten hängen. Als seine Gemahlin kam, strahlte er und rief: „Elvira, alle Sockenpaar­e sind beim Aufhängen aufgegange­n!“

Wir alle kennen das Problem des Alltags, dass nach dem Waschen eine Socke wie ein Waisenkind übrig bleibt. Die kindliche Freude, mit welcher der Herr seinen Erfolg kundtat, machte ihn mir sofort drei Wasserhärt­egrade sympathisc­her.

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