Rheinische Post

Familienid­yll auf dem Klemenspla­tz

Die Lieblingsb­ank unserer Autorin steht in Kaiserswer­th. Dort kann sie ihren Stress vergessen.

- VON LEONIE WUNDERLICH

Jason wird gesucht. „Jasooooon, Jaaaason!“, schallt es über den Klemenspla­tz. Muss man diesen Namen denn über den gesamten Platz brüllen? Ja, die Trägerin der knatschgel­ben Hose mit dem dazu passenden Gürtel denkt das offenbar. Jason eilt zu seiner Mutter, um weiteren Peinlichke­iten zu entgehen.

Jetzt kommt ein Junge im blauweiß geringelte­n T-Shirt, khakifarbe­ner Hose und passender Kappe über den Platz gewatschel­t. Er heißt Max. Seine Füße stecken in blauen Schühchen, die auf dem Kopfsteinp­flaster bei jedem Schritt fast den Halt verlieren. Beim Vorübergeh­en gibt eine Mutter ihrer Tochter Ratschläge, wie sie aufrechter gehen kann, inklusive Selbstdemo­nstration: Sie zerrt die Schultern ihrer Tochter nach hinten und zeigt selbst, wie man die Brust am besten nach vorne streckt.

Ich sitze auf meiner Lieblingsb­ank am Klemenspla­tz in Kaiserswer­th direkt gegenüber einem italienisc­hen Feinkostre­staurant und betrachte das Spektakel. Von hier aus hat man einen wunderbare­n Blick über den Innenhof. Unter der Woche sieht man vor allem Teen- ager, die sich hier rumtreiben, und Omas und Opas, die ihre Enkelkinde­r bespaßen. Viele Schüler kommen dann von der anderen Rheinseite mit der Fähre oder mit der U79, weil sie das Suitbertus-Gymnasium besuchen. Am Wochenende sind es eher Radfahrer, die einen Zwischenst­opp einlegen, um sich in der Eisdiele einen Erdbeerbec­her zu gönnen. Andere wollen beim Italiener einmal schick essen gehen.

Heute knallt die Sonne vom Himmel und ein stetiges Plätschern ist im Hintergrun­d zu hören. Kinder, die am Brunnen spielen, bespritzen sich mit Wasser, rennen vor den Wespen weg und kreischen. Immer wenn ich den Klemenspla­tz besuche, hängt diese kindliche Unbeschwer­theit in der Luft. Immer ist etwas los, immer gibt es etwas Lustiges zu sehen. Hier spielt sich ein lebendiger Alltag ab, der den eigenen Stress vergessen lässt.

Max kriecht jetzt auf allen vieren über den Steinboden und spielt Löwe. Dazu stößt er passende animalisch­e Laute aus. „Ruhhaahr“. Schon mischt sich eine Frau von rundlicher Gestalt ein, die Max auch entdeckt hat. Wie schnell die Kleinen doch groß werden, betont sie. Aber Max interessie­rt das nicht. Er balanciert sein Spielauto auf dem Brunnenabs­atz. Dabei rutscht ein Rad immer wieder über den Rand und nähert sich dem Wasser.

Ein Glockenspi­el erklingt zur vollen Stunde, und die Anwohner schließen wie auf Kommando ihre Fenster. Durch die lauten Töne angeregt, werden die spielenden Kinder immer wilder. Ein Stein platscht in den Brunnen und das Wasser spritzt zu allen Seiten. „Jetzt reicht`s!“, ruft eine, die sich verantwort­lich fühlt. Inzwischen hat nicht nur das Auto von Max das Wasser berührt, sondern auch sein Kopf, und seine Arme. Mutig beugt er sich über den Brunnenran­d und kommt dem Wasser immer näher. Der Opa eilt herbei um zu vermeiden, dass er seinen Enkel noch aus dem Brunnen fischen muss. Er zieht ihn an den Beinen zurück auf den sicheren Boden.

Nach einer Weile drückt die Metallstan­ge der Bank im Rücken. Es haben sich Wolken vor die Sonne geschoben. Die Blätter bewegen sich im Wind, und es wird kühl. Jason ist auch längst weg.

Es ist Zeit zu gehen.

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FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Unsere Autorin schaut Mitmensche­n beim Leben zu.

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