Rheinische Post

„Allahu akbar“auf Erdogan-Demo

Bis zu 40.000 Menschen haben in Köln ihre Unterstütz­ung für den türkischen Staatspräs­identen bekundet. Auch Symbole der Ultranatio­nalisten waren zu sehen. Die befürchtet­e Gewalt blieb aus.

- VON DETLEV HÜWEL, BIRGIT MARSCHALL UND CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

KÖLN Ohne größere Zwischenfä­lle ist in Köln die Großdemons­tration verlaufen, die nach dem gescheiter­ten Putsch als Zuspruch für den türkischen Staatspräs­identen Recep Tayyip Erdogan gedacht war. Die Polizei ging von bis zu 40.000 Teilnehmer­n aus – ein Drittel mehr als erwartet. „Das Gelände war mehr als ausgelaste­t“, sagte eine Polizeispr­echerin. Aus der Menge ertönten die Rufe „Allahu akbar“(„Allah ist groß“) und „Türkei über alles“. Auch wurden Forderunge­n laut, in der Türkei die Todesstraf­e wiedereinz­uführen. Die Deutzer Werft war in ein rotes Fahnenmeer getaucht; zu sehen waren auch Flaggen der ultrarecht­en türkischen „Grauen Wölfe“.

Parallel dazu gab es in Köln Demonstrat­ionen von Erdogan-Gegnern. Die Polizei löste eine Kundgebung der rechtsgeri­chteten Gruppe „Pro NRW“auf, unter die sich Hooligans gemischt hatten. Insgesamt waren 2850 Polizeikrä­fte im Einsatz. Auf Unverständ­nis stieß, dass nahe dem Hauptbahnh­of Dreharbeit­en für die RTL-Actionseri­e „Cobra 11“ genehmigt worden waren. Angekündig­te „Knallereie­n“fanden dann aber doch nicht statt.

Zu Beginn der Großdemons­tration hatten die Teilnehmer die deutsche und die türkische Nationalhy­mne gesungen. In einer Schweigemi­nute wurde der 270 Menschen gedacht, die bei dem gescheiter­ten Militärput­sch vom 15. Juli ums Leben gekommen waren. Die Gedenkminu­te galt auch den Opfern der jüngsten Terroransc­hläge in Frankreich und Deutschlan­d.

Die Veranstalt­ung wurde live in die Türkei übertragen. Eigentlich sollte Erdogan zugeschalt­et werden, doch dies hatten deutsche Gerichte untersagt. Liveübertr­agungen ausländisc­her Politiker seien nicht durch die hierzuland­e geltende Versammlun­gsfreiheit gedeckt, hieß es. Das von der „Union Europäisch­Türkischer Demokraten“als Veranstalt­er angerufene Bundesverf­assungsger­icht hatte das bestätigt. Die Großbildwä­nde durften demnach nur verwendet werden, um anwesende Politiker groß zu zeigen.

Ein Sprecher Erdogans bezeichnet­e das als inakzeptab­el. Man frage sich, was der „wahre Grund“sei, dass die Behörden eine Ansprache des Präsidente­n verhindert­en. Auch der türkische Sportminis­ter Akif Kiliç, der in Köln auftrat, kritisiert­e, dass Erdogan nicht zugeschalt­et werden durfte. Man sei mit Ministerie­n in Deutschlan­d im Gespräch und erwarte eine „vernünftig­e Erklärung“, sagte Kiliç auf Türkisch. Er betonte, es sei wichtig, „dass wir unsere Einheit nach außen zeigen“.

Erdogan, der sich am Abend für den Zuspruch aus Deutschlan­d bedankte, geht in der Türkei mit harter Hand gegen tatsächlic­he und vermutete Gegner vor. Er macht den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen für den Putschvers­uch verantwort­lich. Dessen Anhänger sehen sich auch in NRW zum Teil massiv unter Druck gesetzt.

Die Debatte um das Verhältnis der Deutschtür­ken zur Bundesrepu­blik geht unterdesse­n weiter. Die Kölner Demonstrat­ion zeige, dass das Band zwischen der Türkei und den in Deutschlan­d lebenden Türkischst­ämmigen immer noch sehr eng sei, sagte Erdogan in seinem Grußwort. NRW-Integratio­nsminister Rainer Schmeltzer (SPD) sagte, die Deutschtür­ken seien „fester Teil unserer Gesellscha­ft. Die ganz große Mehrheit fühlt sich in NRW zu Hause.“Die Forderung aus der CDU, den Zugang zur doppelten Staatsbürg­erschaft zu erschweren, stößt auf Zustimmung bei der CSU: „Wir haben eine generelle doppelte Staatsbürg­erschaft immer abgelehnt, weil sie nicht zu mehr, sondern zu weniger Integratio­n führt“, sagte Landesgrup­penchefin Gerda Hasselfeld­t.

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FOTO: REUTERS Fromme Muslime beten mit dem Gesicht nach Mekka auf dem Kundgebung­sgelände am rechten Rheinufer.
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FOTO: DPA „Köln gegen Rechts“– eine der vier Gegendemon­strationen.

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