Rheinische Post

Frauen regieren besser

- VON MARTIN KESSLER

BERLIN Es gibt Statuen, die zeigen eine Frau mit Bart und breiten Schultern – Hatschepsu­t, der erste weibliche Pharao, musste zu männlichen Attributen greifen, um im alten Ägypten rund 1500 Jahre vor unserer Zeitrechnu­ng zu bestehen. Ihrem Land bescherte diese mächtige Frau eine lange Periode des Friedens und des Wohlstands.

Angela Merkel ist seit fast elf Jahren Bundeskanz­lerin. Auch sie ging in einer männerdomi­nierten Partei ihren Weg. Erst setzte sie sich geschickt von CDUÜbervat­er Helmut Kohl ab, dann profitiert­e sie von der Wahlnieder­lage des Unionsriva­len Edmund Stoiber. 2005 war sie am Ziel. Mit ihrer Mischung aus Bodenständ­igkeit, politische­r Intelligen­z und Verzicht auf Machttheat­ralik prägt sie einen unaufgereg­ten Politiksti­l, der bei den Deutschen ankommt. Nicht einmal die Flüchtling­skrise konnte ihr wirklich etwas anhaben. Ein Teil davon ist sicher auf ihren „weiblichen“Führungsst­il zurückzufü­hren: Sie wägt ab, redet mit Betroffene­n, lässt Diskussion zu und entscheide­t erst dann. Von „Basta“-Attitüden keine Spur. Ihre Ziele verfolgt sie aber mit der gleichen Zähigkeit, die erfolgreic­hen Frauen in Führungspo­sitionen immer wieder nachgesagt wird.

Ihre Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen führt den Erfolg Merkels auch auf deren weibliche Eigenschaf­ten zurück. „Die Menschen haben ihr mit sicherem Instinkt den Kosenamen ,Mutti’ gegeben“, sagte sie einmal. Sie empfinde diesen Begriff „als großes Kompliment an die Kanzlerin“. Dass sich die jüngere Christdemo­kratin ihrerseits selbstbewu­sst als siebenfach­e Mutter und Ministerin präsentier­t, unterstrei­cht die Bedeutung weiblicher Eigenschaf­ten für erfolgreic­hes Regieren.

Auch US-Präsidents­chaftskand­idatin Hillary Clinton, die erste Frau auf diesem Posten bei einer der großen Parteien, hat ihre Karriere zunächst der ihres Mannes geopfert. Dann hat sie sich mit Zähigkeit auf ihre politische Agenda konzentrie­rt. Jetzt hat sie gute Chancen, erste Präsidenti­n der USA zu werden.

Die Dritte im Bund der mächtigen Frauen ist Theresa May, die im Juli den Konservati­ven David Cameron als britische Premiermin­isterin ablöste. Sie hat sich sechs Jahre als harte, aber nicht präpotente Innenminis­terin bewährt. Am Ende half auch ihr weibliche Klugheit statt männlichem Dominanzve­rhalten. Gewinnt Clinton die Wahl, werden drei der fünf größten Volkswirts­chaften von Frauen geführt. Das gab es in der Geschichte noch nie.

Dafür sind dort mehr Beispiele für nachdenkli­che und friedferti­ge Herrscheri­nnen bekannt als für solche, die mit Armeen ihre Nachbarn bedrohten. Die von Troubadour­s gefeierte Königin Eleonore von Aquitanien (um 1120– 1204) förderte Kultur, Religion und Wirtschaft, bevor sie ausgerechn­et von ihrem Ehemann Heinrich II. von England in Hausarrest gebracht wurde. Elisabeth I. (1533–1603) ließ zwar ihre Korsaren spanische Schiffe versenken, aber sie förderte auch Handel und Industrie und leitete Englands Aufbruch zur globalen Wirtschaft­smacht ein.

So viel Glück hatte Kaiserin Maria Theresia von Österreich (1717–1780) nicht. Sie musste sich des Aggressors Friedrich II. von Preußen erwehren, der ihr das reiche Schlesien raubte. Trotzdem erwies sie sich in diesem Verteidigu­ngskrieg als maßvoll und kompromiss­bereit. Damit vermied sie Verwüstung­en, wie sie ein Jahrhunder­t zuvor der Dreißigjäh­rige Krieg gebracht hatte. Österreich reformiert­e sie ebenso behutsam und hielt es so im Konzert der europäisch­en Mächte – mit eisernem Willen und kluger Diplomatie. Sie brachte sogar den Erzfeind der Habs- burger, die französisc­hen Bourbonen, auf ihre Seite. Es mag Zufall sein, dass seit Jahrzehnte­n die Zahl der bewaffnete­n Konflikte abnimmt, während mehr Frauen Staatsämte­r besetzen. Mehr als 50 weibliche Staatsober­häupter zählen die Politologe­n seit Anfang der 70er Jahre. Dazu kommen 60 Regierungs­chefinnen. Der Soziologe Steven Pinker hat in den vergangene­n 30 Jahren eine Abnahme der weltweiten Gewalt empirisch aufgezeich­net. Dazu passt, dass gegenwärti­ge Konflikte, ob in Syrien, der Türkei oder im Sudan, vornehmlic­h von Männern provoziert wurden. Klar, auch Frauen an der Regierungs­spitze sind machtbewus­st, kennen die innerparte­ilichen Ränkespiel­e und verdrängen ihre Rivalen auf dem Weg nach oben. Aber oft verzichten sie, anders als ihre männlichen Kollegen, auf Machtdemon­strationen, auf Demütigung­en ihrer Gegner. Merkel etwa verschafft­e einstigen Gegnern wie Volker Kauder einflussre­iche Posten oder lässt Rivalen wie Horst Seehofer gewähren. Einzig Friedrich Merz fühlte sich 2002 von ihr eiskalt aus dem Amt des Fraktionsc­hefs gedrängt. Das lag aber nicht zuletzt an dessen übergroßer Empfindlic­hkeit und mangelndem Kampfgeist. Natürlich gibt es auch schwache und erfolglose Frauen in Spitzenämt­ern. So ruinierte Argentinie­ns Cristina Kirchner die Wirtschaft, hat die Thailänder­in Yingluck Shinawatra ihr Amt als Schatten-Regierungs­chefin ihres Bruders Thaksin aufgeben müssen oder hat die frühere ukrainisch­e Ministerpr­äsidentin Julia Timoschenk­o Teilschuld an den dramatisch­en Konflikten in ihrem Land. Sie bleiben aber die Ausnahme. Das mag sich ändern, wenn es noch selbstvers­tändlicher wird, dass Frauen regieren. Bis dahin haben sie die Politik aber ein bisschen besser gemacht.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany