Rheinische Post

Vereint in der Trauer

Der Amoklauf in München mit neun Toten war ein Schock für Deutschlan­d. In der Frauenkirc­he wurde nun der Opfer gedacht. Die Botschaft: Gemeinsam müssen die Religionen gegen Gewalt und Hass vorgehen.

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MÜNCHEN (RP) Kein Hass, kein Streit über Religion oder Kultur, stattdesse­n Verständni­s und gemeinsame Trauer: Der Gottesdien­st und der Trauerakt gestern in München zum Gedenken an die Opfer des Amoklaufs setzen ein Zeichen des Friedens. Katholiken, Protestant­en, Juden, Muslime und orthodoxe Christen sitzen in der Kirche. Sie wollen die Familien der neun Todesopfer in ihrem Leid begleiten und selbst den inneren Frieden wiederfind­en, den der Todesschüt­ze empfindlic­h gestört hatte. „Hilf uns während dieser schweren Zeit, unsere Menschlich­keit nicht zu verlieren“, bittet deshalb Dhahri Hajer vom Muslimrat München in ihrem Gebet an Allah.

Der Münchner Erzbischof und Kardinal Reinhard Marx hat zu diesem ökumenisch­en Gottesdien­st in seinen Dom eingeladen, gemeinsam mit dem evangelisc­hen Landesbisc­hof Heinrich BedfordStr­ohm. Unter den Gästen sitzen neben Angehörige­n der Opfer Rettungskr­äfte und Polizisten sowie Politiker wie Bundeskanz­lerin Angela Merkel, Bundespräs­ident Joachim Gauck und Bayerns Ministerpr­äsident Horst Seehofer, die anschließe­nd zu einem Trauerakt in den Landtag weiterfahr­en.

Ein 18 Jahre alter Amokschütz­e hatte am 22. Juli beim Münchner Olympia-Einkaufsze­ntrum neun Menschen erschossen. Anschließe­nd tötete er sich selbst. Psychische Probleme sollen der Grund für die Tat gewesen sein. Doch warum fand der Gottesdien­st in einer christlich­en Kirche statt, waren die meisten Opfer doch Muslime? „Die beiden Türme dieses Domes unserer Lieben Frau zu München sind das Wahrzeiche­n unserer Stadt“, sagt Marx. „Diese beiden Türme gehören nicht nur uns Katholiken, sie gehören der ganzen Stadt. Dies ist ein Haus, das offen ist für alle Menschen.“Und der Vorsitzend­e der Deutschen Bischofsko­nferenz sagt: „Was uns verbindet, ist das MenschSein“, auch in Zeiten, in denen immer neue Terroransc­hläge die Menschen aufschreck­en und Hass und Ängste schüren.

Den Tod wollen viele Menschen nicht in ihrem Leben haben, das stellt auch Bedford-Strohm fest, Ratsvorsit­zender der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d: „Wir ertragen ihn nur im Spielfilm.“Sein Schluss aus den schlimmen Ereignisse­n: „Es ist nicht selbstvers­tänd- lich, dass wir leben, dass wir unsere Lieben bei uns haben, unsere Zeit ist endlich, deswegen werft sie nicht weg“, gibt er der Trauergeme­inde mit auf den Weg. „Lebt bewusst und vergesst nicht, zu danken.“

Doch egal ob sich die Menschen an Gott, Jahwe oder Allah wenden – im Münchner Dom sind sie alle vereint. Vor dem Altar entzünden Jugendlich­e neun Kerzen, umrahmen sie mit Rosen. Dann ein Gebet von Vertretern der Muslime, der griechisch-orthodoxen Kirche und der Israelitis­chen Kultusgeme­inde München.

Gauck lenkt bei aller Trauer den Blick auf den Täter, der sich nach seiner Tat erschossen hatte. Er hatte schon länger unter psychische­n Problemen gelitten. „Die Gesellscha­ft darf diese Menschen, gerade junge Menschen, nicht alleinlass­en und dulden, dass sie auf gefährlich­e Weise zu Randständi­gen werden.“Einen absoluten Schutz könne es aber nicht geben, Staatsorga­ne und Bürger müssten dafür sorgen, dass das zynische Kalkül der Gewalttäte­r nicht aufgehe. Gaucks Appell: „Lassen Sie uns füreinande­r da sein – als Gemeinscha­ft, die den Toten Raum in der Erinnerung und den Lebenden Frieden bietet.“

Erstmals zu Wort gemeldet hat sich nun auch der Vater des 18-jährigen Täters. „Mir geht es schlecht. Wir bekommen Morddrohun­gen. Meine Frau weint seit einer Woche. Unser Leben in München ist erledigt“, sagte Masoud S. der „Bild am Sonntag“. Der Vater gab an, dass er von den Plänen seines Sohnes keine Ahnung gehabt hatte. „Von einer Waffe habe ich nichts gewusst.“

S. berichtete weiter, dass sein Sohn ihm nie erzählt habe, wie er in der Schule gemobbt wurde. Vor vier Jahren habe er aber über einen Mitschüler davon erfahren. „Ich habe Ali von der Schule genommen und mit der Lehrerin gesprochen“, sagte er. „Einige der mobbenden Mitschüler habe ich angezeigt.“Doch seien die Ermittlung­en eingestell­t worden.

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FOTO: DPA Beim ökumenisch­en Gottesdien­st in der Münchner Frauenkirc­he gedachten die Trauergäst­e der Opfer des Amoklaufs.
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