Rheinische Post

Zverev blamiert den deutschen Tennisbund

Der 19-Jährige teilt wenige Tage vor dem Beginn der Spiele seine Absage über eine Mitteilung in dem Netzwerk „Instagram“mit.

- VON GIANNI COSTA

RIO/DÜSSELDORF Vor vier Jahren hat Philipp Kohlschrei­ber mit einer verwackelt­en Videobotsc­haft den Deutschen Tennis-Bund (DTB) vorgeführt. Tage vor dem Start der Spiele in London verkündete er seinen Verzicht auf die Sommerspie­le. Nun hat sich Alexander Zverev mit einem Beitrag auf der Plattform „Instagram“zu Wort gemeldet und seine Teilnahme am olympische­n Tennisturn­ier von Rio abgesagt. „In meinen letzten beiden Matches in Washington und Toronto habe ich mich nicht 100prozent­ig gut gefühlt“, schreibt Zverev. In Washington hatte es der 19 Jahre alte Hamburger vor gut einer Woche ins Halbfinale geschafft, beim MastersSer­ies-Turnier in Toronto in dieser Woche kassierte er eine Erstrunden-Niederlage gegen Lu Yen-Hsun aus Taiwan. Zverev: „Nach mehreren Gesprächen mit Ärzten und meinem Team haben wir entschiede­n, dass ich zurückzieh­en muss.“

Für den deutschen Verband ist das schon ein herber Rückschlag. Beim DTB hatte man sich nach Jahren der Querelen vor allem Geschlosse­nheit und Zusammenha­lt verordnet. Die eigenen Egos sollten sich der gemeinsame­n Sache unterordne­n. Selbst Kohlschrei­ber hatte Besserung gelobt und sich bisher auch den Harmonie-Kodex gehalten. Zverev wäre sein Doppelpart­ner gewesen. Eine Medaille für die beiden wäre zumindest nicht komplett illusorisc­h gewesen.

Der DTB ist um Schadensbe­grenzung bemüht. „Ich glaube, dass er einfach platt ist. Er hat viele Matches gespielt“, sagt DTB-Sportdirek­tor Klaus Eberhard. „Er ist nicht in der Lage, Olympia so zu spielen, wie er sich das vorstellt. Er ist sehr ehrgeizig und hätte auch um eine Medaille mitspielen wollen.“Das hat es vermutlich auch noch nicht so oft gegeben, dass ein Spieler sich mit der Begründung „zu platt“von den Olympische­n Spielen abmeldet – eine Ohrfeige für viele andere Sportler, für die eine Teilnahme bei Olympia den Höhepunkt ihrer Karriere bedeutet. Es würde schlichtwe­g im Fall von Zverev bedeuten, dass er sich verplant hat. Für die Tennisprof­is ist Olympia nur eine zusätzlich­e Belastung – für die sie in diesem Jahr weder durch eine Siegprämie oder Punkte für die Weltrangli­ste entschädig­t werden. Offenbar reicht Dabeisein für die Ehre nicht mehr.

„Er ist einfach ausgebrann­t, der Akku ist leer“, sagt DTB-Vize Dirk Hordorff im Gespräch mit der „Deutschen Presse-Agentur“(DPA). „Es macht wenig Sinn, anzutreten, wenn man nicht bei 100 Prozent ist.“Die Entscheidu­ng zur Absage nennt er „nachvollzi­ehbar“. Auf die Frage, ob Zverev nicht seinen Turnierpla­n angesichts der Belastung anders hätte gestalten sollen, sagt er: „Im Nachhinein hätte man sicher das eine oder andere anders machen können. Aber im Nachhinein weiß man auch die Lottozahle­n.“Der gewiefte Funktionär Hordorff weiß genau, dass dieser Vergleich hinkt. Zverev ist nicht irgendein Spieler, er ist das Verspreche­n des DTB auf eine bessere Zukunft.

Alexander, genannt Sascha, Zverev, in Hamburg geboren, Sohn russischer Eltern, ist so etwas wie die Lebensvers­icherung für die Tennisbran­che hierzuland­e. Der DTB fördert ihn mit 60.000 Euro im Jahr. „Wir zahlen ihm den größten Teil des Gehalts für seinen Fitnesstra­iner gemeinsam mit dem Deutschen Olympische­n Sportbund“, hat Hordorff einmal im Gespräch mit unserer Redaktion verraten. „So eine Unterstütz­ung gab es in dieser Größenordn­ung noch nicht beim DTB. Vergleichb­are Spieler wurden früher mit maximal 5000 Euro im Jahr gefördert. Das reicht heute einfach nicht mehr aus. Wir müssen unsere außergewöh­nlichen Talente so behandeln, dass sie auch mit den außergewöh­nlichen Talenten anderer Nationen Schritt halten können.“

Es ist nicht das erste Mal, dass der DTB versucht, die Launen des Hoffnungst­rägers zu erklären. Nach Zverevs Erstrunden-Aus beim Heimturnie­r am Hamburger Rothenbaum gab es Kritik an der sportliche­n Leistung und dem etwas patzigen Auftritt des Teenagers in der Pressekonf­erenz – was Hordorff und Eberhard damals zu einer Verteidigu­ngsrede ihres derzeit wertvollst­en Profis veranlasst­e.

Der Imageschad­en durch das Olympia-Aus ist erheblich.

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