Rheinische Post

Bayreuth: Gelassenhe­it beim „Ring“

Bei den Festspiele­n feierte Frank Castorfs Inszenieru­ng Premiere.

- VON REGINE MÜLLER

BAYREUTH Wer hätte gedacht, dass der Bayreuther Festspielb­etrieb so schnell zurückfind­et zur Normalität? Nach dem hysterisch­en Sicherheit­s-Tamtam bei der „Parsifal“Premiere mit Hubschraub­ern und Polizei-Hundertsch­aften, war die Stimmung an den Tagen danach auf dem Hügel wie ausgewechs­elt. Freilich ist noch immer die Auffahrt gesperrt und das Gelände weiträumig abgeriegel­t. Aber die Beamten winken einen durch, die Taschengrö­ße wird allenfalls taxiert.

Nun also der vierte Jahrgang des ungeliebte­n Castorf-„Ring“in weitgehend neuer Sänger-Besetzung. Und vor allem erstmals mit Altmeister Marek Janowski am Pult, der den bejubelten Kirill Petrenko beerbt. Der 77-jährige Janowski hatte sich in den 1990er Jahren von der Bühne zurückgezo­gen, da er mit dem Regie-Theater haderte. Und nun feiert er sein Bayreuth-Debüt ausgerechn­et mit dem „Ring“Castorfs, der nicht zimperlich mit Wagners Tetralogie umgeht. Dass Janowski möglicherw­eise genervt wegguckt, statt Kontakt mit der Bühne zu halten, lässt sich im ersten Akt der „Walküre“vermuten, der an mehreren Stellen musikalisc­h fast auseinande­r fliegt und überhaupt rumpelt und knattert. Dabei ist Castorf gerade hier wenig eingefalle­n, er lässt um einen Ölfördertu­rm in Baku herum ziemlich lauwarm am Text entlang agieren, oder hat einfach vor der optisch und stimmlich krassen Fehlbesetz­ung der Sieglinde mit Heidi Melton kapitulier­t.

Musikalisc­h bleibt die „Walküre“auch in den folgenden Akten durchwachs­en, Janowski gelingen zwar große Momente, aber meistens hetzt er durch die Partitur, falsche Töne und Kieckser dringen aus dem Graben, die Walküren drehen auf bis zur Schmerzgre­nze, aber vor allem Catherine Foster als souveräne, pointiert singende Brünnhilde, der famose Georg Zeppenfeld als Hunding und der erst spät in Fahrt kommende John Lundgren als Wotan reißen es raus. Der Rest ist solide.

Ganz anders „Rheingold“, das Satyr-Vorspiel zum „Ring“, bei dem Castorf ein Feuerwerk an Ideen zündet und in einem Motel an der Route 66 samt Tankstelle mittels Video und mehreren Spielebene­n so viele Geschichte­n parallel erzählt, dass man kaum mitkommt. Das Banalisier­en der Götter zum RotlichtVö­lkchen bekommt Wagner nicht schlecht, allein schon Roberto Saccàs mafiöser Loge ist den Besuch wert. Sängerisch ragen heraus Nadine Weissmanns Erda, ausstaffie­rt als Puffmutter mit Marlene-Flair und glühendem Mezzo und Günther Groissböck als Fasolt mit makelloser Diktion.

Castorf schafft es im „Rheingold“, dass sich nicht eine einzige typische Sänger-Geste einschleic­ht, und die neuen Rheintöcht­er agieren so virtuos als koksnervös­e Tussen, als wären sie frisch eingefloge­n von Castorfs Bald-nicht-mehr-Heimat am Rosa-Luxemburg-Platz. Janowski setzt Castorfs Fragmentar­isierung seine alte Schule entgegen, was hübsche Reibungen ergibt und erhabene Momente mit Trash-Ästhetik konterkari­ert.

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FOTO: BAYREUTHER FESTSPIELE/NAWARATH/DPA Szene aus „Das Rheingold“.

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