Rheinische Post

Suche nach dem verlorenen Sohn

„Philomena“mit Judi Dench erzählt von einer Frau, der Nonnen das Kind wegnahmen.

- VON CORDULA DIECKMANN

BERLIN Sie war jung, verliebt und leichtsinn­ig: Als unverheira­tete Frau bekam Philomena Lee ein Kind. Im tief katholisch­en Irland der fünfziger Jahre eine Todsünde. Die junge Frau musste ins Kloster, ihre Schuld abarbeiten und dulden, dass ihr Kind zur Adoption freigegebe­n wurde. Vor rund drei Jahren wurde die Geschichte der „Philomena“mit Judi Dench in der Hauptrolle verfilmt. Heute zeigt das Erste das mehrfach ausgezeich­nete Drama.

Der Film basiert auf dem Buch des englischen Journalist­en Martin Sixsmith, das die wahre Begebenhei­t schildert, wie eine Irin ihren Sohn auf diese Weise verliert und ihn 50 Jahre nach der Geburt wiederfind­en will. Der Schauspiel­er Steve Coogan erfuhr so von ihrem Schicksal, das ihn nicht mehr losließ. Coogan schrieb mit Jeff Pope das Drehbuch, wurde einer der Produzente­n und übernahm eine Hauptrolle.

Als Sixsmith macht er sich mit Philomena auf, um deren verscholle­nen Sohn zu finden. Ihr Weg führt sie in das Kloster Roscrea. Doch dort weiß niemand mehr, was mit Anthony passierte, nachdem er mit drei Jahren adoptiert worden war. Über einen Barkeeper finden sie dann doch noch eine Spur, die sie in die USA, genauer gesagt in die Hauptstadt Washington.

Dench und Coogan bilden ein gegensätzl­iches Paar – sie ist eine simple Krankensch­wester, die sich an Liebesroma­nen ergötzt und auf dem Flug in die USA dem modernen Leben mit ungläubige­m Staunen begegnet. Coogan dagegen gibt den zynischen Zweifler, der die alte Dame anfangs ziemlich skeptisch begleitet und von ihrer naiven Art völlig genervt ist. Doch bald erkennt er, dass sich hinter ihrer schlichten Fassade eine zutiefst verletzte, herzensgut­e Frau verbirgt, die an ihrem Schicksal zu zerbrechen droht.

Zu überwältig­end ist der Schmerz darüber, dass sie im Grunde genommen das falsche Leben gelebt hat. Ein Leben ohne Anthony. Selbst ihre viel später geborene Tochter Jane konnte ihn nicht verdrängen. „Ich möchte wissen, ob Anthony jemals an mich gedacht hat, wie ich an ihn gedacht habe jeden Tag“, fasst sie ihre Sehnsucht zusammen.

Dass der Film nicht rührselig wird, ist Judi Dench zu verdanken. Dench mit ihrer fasziniere­nden Gabe für große Frauenroll­en spielt ohne jeden Pathos. Philomenas Schmerz ist roh, brutal und von ungeheurer Wucht, wie eine frisch aufgerisse­ne Wunde. Und trotzdem will diese kleine, einfache Frau nicht hassen, schon gar nicht die Klostersch­western, die ihr das Leid zugefügt haben. Und die stur darauf beharren, dass sie nichts über Anthonys Schicksal wissen.

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FOTO: ARD DEGETO/PATHE PRODUCTION­S LIMITED Der Journalist Martin Sixsmith (Steve Coogan) begleitet Philomena (Judi Dench) auf der Suche. Als unverheira­tete Mutter in Irland musste sie ins Kloster, das Kind wurde einer anderen Familie gegeben.

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