Rheinische Post

„Manchmal kracht es mit Thomas Geisel“

Der SPD-Fraktionsc­hef über das Verhältnis zum Rathaus-Chef, die Tour de France und fehlenden Wohnraum.

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Herr Raub, wir sitzen hier auf den Publikumsp­lätzen und blicken runter in den Ratssaal, wo Sie normalerwe­ise sitzen. Wann waren Sie zuletzt als Zuschauer bei einer Ratssitzun­g? RAUB Das ist lange her. Seit November 2004 bin ich Ratsmitgli­ed, das muss also davor gewesen sein. Ich habe mich damals geärgert, war für einen bestimmten Punkt gekommen. Aber der kam erst anderthalb Stunden später dran, weil erst endlos über eigentlich unspektaku­läre Themen diskutiert wurde. Da hat sich ja nicht viel geändert. RAUB Manchmal leider ja. Wir müssen uns darüber Gedanken machen, wie wir disziplini­erter werden können. Manchmal geht die Debatte lange weiter, obwohl längst alles gesagt ist. Allerdings bin ich auch kein Freund einer pauschalen Redezeitbe­grenzung. Haben Sie sich schon mal dafür geschämt, was das Publikum im Stadtrat geboten bekommt? RAUB Manchmal frage ich mich, ob jemand wiederkomm­t bei dem Theater, das wir hin und wieder aufführen. In solchen Fällen ärgert mich nicht nur die Länge der Debatte, sondern auch die Qualität. Das kommt aber zum Glück nicht oft vor. Was ist härter: Die Rolle des Opposition­sführers oder die des SPD-Fraktionsc­hefs unter einem SPD-Oberbürger­meister Geisel? RAUB Ich würde das Amt nicht ausüben, wenn ich es zu hart fände. Der Unterschie­d liegt in der Betrachtun­gsweise derselben Sachen. In der Opposition muss man den Finger in die Wunde legen, die man als Chef der Regierungs­fraktion eher relativier­t. Beides hat seine Reize. Das klingt so, als würden Sie nun Dinge schönreden. RAUB Nein. Wenn es Probleme gibt, sage ich das auch. Aber bei diesem Gerede der CDU, die Stadt stehe vor der Pleite, kriege ich einen Hals. Wenn die CDU vernünftig gehaushalt­et hätte, stünden wir jetzt nicht vor diesem Dilemma. Düsseldorf hat in der Zeit der schwarz-gelben Mehrheit viel investiert, vor allem in Kö-Bogen und Wehrhahn-Linie. Aber es gehört zur Wahrheit, dass die Sanierung von Schulen und Bädern nicht ausreichen­d finanziert worden ist. Wir setzen nun andere Schwerpunk­te. Gehört die Tour de France 2017 in Düsseldorf denn zu diesen richtigen Schwerpunk­ten? RAUB Das ist eine gute Investitio­n. Ich gebe zu, dass ich persönlich kein Fan des Radsports bin. Aber das ist ein Ereignis von europäisch­em Rang. Und ich bin zuversicht­lich, dass es Düsseldorf weniger als vier Millionen Euro kosten wird. Sie gelten nicht als Geisels WunschFrak­tionschef. Was ist das für ein Gefühl? RAUB Wer sagt das? Das ist allgemein bekannt. RAUB Ich arbeite gut und gerne mit Thomas Geisel zusammen. Manchmal kracht es, aber das gehört dazu, auch unter Parteifreu­nden. Er hat ja im Interview bei Ihnen gesagt, dass er sich nicht nur mit Ja-Sagern umgeben will. Zu denen gehöre ich sicher nicht. Insofern gehe ich davon aus, dass er meine Arbeit schätzt. Ich bin aber nicht nur auf den Oberbürger­meister fokussiert, sondern der Ampel-Kooperatio­n mit Grünen und FDP verpflicht­et, in der wir als SPD sehr gern arbeiten. Da ist vieles auszutarie­ren. Sie gelten eher als Mann des Ausgleichs. Muss man in der Politik heute nicht mehr klare Kante zeigen, um wahrgenomm­en zu werden? RAUB Wenn es darauf ankommt, kann ich das, trage das aber nicht offen aus. Ich denke eher vom Ergebnis her, will etwas erreichen. Und es hat sich in den sieben Jahren als Fraktionsc­hef bewährt, dass ich versucht habe, alle mitzunehme­n. Das bringt mehr als die Brechstang­e – übrigens auch, wenn man will, dass Bürger ein Projekt akzeptiere­n. Sie sind Fan von Modelleise­nbahnen. CSU-Chef Horst Seehofer auch. Er soll eine Figur seiner Lieblingsr­ivalin Angela Merkel an der Strecke haben. Wen stellen Sie gerne ganz nah an die Bahnsteigk­ante? RAUB Das ist nicht zu empfehlen. Wenn so eine Figur auf die Schienen fällt, entgleist der Zug. Und es kann sehr nervig sein, den wieder richtig aufs Gleis zu setzen. Derartige Fantasien sind mir völlig fremd. Bei der Tour de France und der Entscheidu­ng für Möbel-Krieger statt Schaffrath an der Theodorstr­aße hatte die SPD zuletzt die CDU, aber nicht die Ampel-Partnerin FDP an ihrer Seite. Sind die Christdemo­kraten die verlässlic­heren Partner? RAUB Nein. Die Tour de France ist kein Thema für politische Auseinande­rsetzungen. Ich verstehe nicht, weshalb sich die CDU so lange dagegen gesperrt hat und die FDP grundsätzl­ich dagegen ist. Die Theodorstr­aße ist ein politische­s Thema. Dabei geht es aber nicht um Krieger oder Schaffrath, sondern darum, mit welchem Konzept wir diese Straße am besten entwickelt bekommen. Krieger hat alle Bedingunge­n der Stadt erfüllt. Ich bin im Übrigen dafür, Schaffrath woanders in der Stadt ein gutes Angebot für einen größeren Markt zu machen. Die Ampel-Kooperatio­n gibt es nun schon fast zwei Jahre. Auf welche Leistungen sind Sie stolz? RAUB Wir haben in allen wesentlich­en Bereichen einen Kurswechse­l vollzogen, zum Beispiel mit dem Bä- derkonzept, der Evaluierun­g des Handlungsk­onzepts Wohnen und dem Neubau des Dürer-Kollegs, der ja jetzt auch die positive Folge hat, dass Benrath ein Halt für den RRX wird. Das sind nur einige Meilenstei­ne für die Stadt, die uns viele nicht zugetraut haben. Was ärgert Sie, weil es noch nicht umgesetzt ist? RAUB Der Kö-Bogen II mit dem „Ingenhoven-Tal“am Gustaf-Gründgens-Platz. Wir müssen leider zur Kenntnis nehmen, dass es mit dem Investor in einigen Punkten unterschie­dliche Auffassung­en gibt. Wir dürfen uns da nicht treiben lassen, schließlic­h ist das der einzige verblieben­e Punkt der Innenstadt, wo etwas Qualitätsv­olles entstehen kann. Das müssen wir über einen städtebaul­ichen Vertrag sichern. Ich bin aber zuversicht­lich, dass wir eine Lösung finden. Auch nach zwei Jahren mit SPD-Regierung steigen die Mieten und die Immobilien­preise weiter. Ist die Politik machtlos gegen den Markt?

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RP-FOTO: ANDREAS ENDERMANN

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