Rheinische Post

„Dieses Haus ist uns zugestoßen“

Ein Paar erbte ein über 300 Jahre altes Fachwerkha­us in Urdenbach und erlebt nun modernes Wohnen in den historisch­en Mauern.

- VON UTE RASCH (TEXT) UND ANNE ORTHEN (FOTOS)

Manchmal liegen zwischen Innen und Außen eines Hauses nicht bloß Wände und Dämmmateri­al, sondern auch ein paar Jahrhunder­te. So wurde das Fachwerkha­us von Erika und Wolfgang Keil in Urdenbach exakt im Jahr 1709 erbaut, sein Innenleben aber ist noch keine zwei Jahre alt. Bis allerdings Alt und Neu eine glückliche Verbindung eingehen konnte, musste das Paar eine der größten Herausford­erungen seines Lebens meistern.

Dieses Haus ist ihnen zugestoßen. Eines der ältesten Gebäude von Urdenbach zu erben – mit allen Verpflicht­ungen, die ein solcher Besitz mit sich bringt – das war in ihrer Lebensplan­ung nicht vorgesehen. Eigentlich. Aber dann starb „Onkel Achim“, ein entfernter Verwandter von Wolfgang Keil – und plötzlich gehörte das Fachwerkha­us ihnen. Verbunden damit war die dringliche Bitte, es nicht zu verkaufen.

Was macht man mit einem solchen Erbe, für das ja zunächst mal reichlich Erbschafts­steuer fällig ist? „Außerdem war an dem Haus viele Jahre nichts mehr gemacht worden, im Dachboden waren einfach alte Bretter vor den Giebel genagelt, nichts gedämmt, alles düster“, berichtet Wolfgang Keil. Seine Frau erinnert sich an die vielen Spinnweben, „das war wie ein Dornrösche­nschloss“. Es war ihnen klar, dass sie das Haus im Inneren komplett modernisie­ren mussten, damit es zu ihrem Zuhause würde. Und dann war da noch der Garten in ländlich-üppigen Proportion­en, eigentlich viel zu groß für zwei Menschen, die das Rentenalte­r längst erreicht hatten.

Trotz aller Bedenken beschlosse­n sie schließlic­h, die Herausford­erung anzunehmen. „Das war einerseits eine moralische Verpflicht­ung, anderersei­ts auch ein verlockend­es Angebot“, so der Hausherr, der während der Bauarbeite­n morgens als Erster da war, mit anpackte und abends als Letzter ging. Manchmal von der Frage beschattet: „Schaffen wir das überhaupt?“Denn auch finanziell hielt diese Kernsanier­ung manche Überraschu­ng parat. Da war die Geschichte mit den Fenstern, zumindest zur Straßensei­te mussten Holzfenste­r im historisch­en Format eingesetzt werden – so wollte es der Denkmalsch­utz. Wolfgang Keil: „Zehn Kunststoff­fenster hätten rund 4000 Euro gekostet, für Holzfenste­r haben fast das Dreifache bezahlt.“

Von außen besticht das Haus an der Angerstraß­e durch das vertraute Schwarz-Weiß-Muster alter Fachwerkar­chitektur. An der Fassade die Markierung­en früherer Hochwasser, die auch schon mal bis in den ersten Stock reichen konnten. „200 Jahre stand das Haus jedes Jahr im Wasser“, so Wolfgang Keil, wenn das Hochwasser des Altrheins in die Itter drückte und zu einem reißenden Strom anschwelle­n ließ. Überhaupt ist der Mann, der in seinem Berufslebe­n Polizeibea­mter war, ein wandelndes Geschichts­lexikon. Details kann der Urdenbache­r Vergangenh­eit kann er mühelos bis zum Dreißigjäh­rigen Krieg zurückspul­en. Auch die Familienge­schichte von „Onkel Achim“, der eigentlich Joachim Strohn hieß, hat der Hobby-Historiker lückenlos recherchie­rt, zumal sie mit der Geschichte seines Hauses eng verwebt ist, waren doch seine Vorfahren die Erbauer. Wer heute durch die alte Haustür tritt, erlebt eine Überraschu­ng: weiße Wände, viel Licht, helle Fußböden, moderne Bäder. „Wir haben das Haus hell gemacht“, sagt Erika Keil. Zentraler Raum im Erdgeschos­s – wo früher mehrere kleine Zimmer waren – ist nun eine große offene Küche mit familienta­uglichem Esstisch. Die weiß gestrichen­e Holztäfelu­ng erinnert an skandinavi­sche Ferienhäus­er. Den uralten Balken mitten im Raum, optisches Gegengewic­ht, hat Joachim Keil mal am Rheinufer gefunden. Über die- ser Küche in der ersten Etage hat das Wohnzimmer fast die gleichen Ausmaße, zur Gartenseit­e erlaubte der Denkmalsch­utz größere Fenster, ein Licht durchflute­ter Raum, in dem nichts mehr an die Düsternis der Vergangenh­eit erinnert.

Heute sind Erika und Wolfgang Keil glücklich, dass sie sich auf das Abenteuer eingelasse­n haben. Beim Abschied holt der Hausherr eine Taschenlam­pe, überquert die Straße, öffnet ein Türchen und leuchtet in die Tiefe: „Das ist der älteste Ziehbrunne­n Düsseldorf­s.“Kann kein Zufall sein, dass der ausgerechn­et neben seinem Haus steht.

 ??  ?? Grüne Tür, grüne Fensterläd­en: Wie aus einem Bilderbuch mutet das urige Fachwerkha­us der Keils an der Angerstraß­e in Urdenbach an.
Grüne Tür, grüne Fensterläd­en: Wie aus einem Bilderbuch mutet das urige Fachwerkha­us der Keils an der Angerstraß­e in Urdenbach an.
 ??  ?? Erika und Wolfgang Keil sitzen in ihrem Wohnzimmer. Besonders markant sind die tiefen Balken-Decken.
Erika und Wolfgang Keil sitzen in ihrem Wohnzimmer. Besonders markant sind die tiefen Balken-Decken.
 ??  ?? Schilder am Haus dokumentie­ren frühere Wasserstän­de.
Schilder am Haus dokumentie­ren frühere Wasserstän­de.
 ??  ?? Blick in die helle, freundlich­e Küche der Keils
Blick in die helle, freundlich­e Küche der Keils

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