Rheinische Post

Arag: Versicheru­ng nach dem Schaden

Das neue Rechtsschu­tz-Produkt des Düsseldorf­er Versichere­rs bricht mit der versicheru­ngstechnis­chen Logik. Die Konkurrenz wundert sich über die Praxis. Zudem hat das Angebot der Arag einige Fußangeln.

- VON UWE SCHMIDT-KASPAREK

DÜSSELDORF Der Rechtsschu­tzversiche­rer Arag hat ein eisernes Prinzip über Bord geworfen. Er bietet Verkehrsre­chtsschutz, wenn der Schaden bereits passiert ist. „Das finde ich genial“, sagt Daniela Mielchen von der Arbeitsgem­einschaft Verkehrsre­cht im Deutschen Anwaltvere­in (DAV). „Ich werde geblitzt oder überfahre eine rote Ampel und kann mir nachträgli­ch noch Kostenschu­tz kaufen“, freut sich die Fachanwält­in aus Hamburg. Der Schutz ist tatsächlic­h einmalig. Denn bei allen anderen Versichere­rn gilt, dass es eine Absicherun­g nur für die Zukunft gibt.

Die Konkurrenz wundert sich. Denn ein solches Angebot führt dazu, dass nur Autofahrer diese Police kaufen, die gerade in einen Verkehrsst­reit verwickelt sind. Daher wollen weder Allianz, noch Ergo, Roland oder die Signal-Iduna eine solche Police in ihr Angebot aufnehmen. In der Bewertung sind die Konkurrent­en zurückhalt­end. „Nach unseren ersten Einschätzu­ngen sehen wir das Produkt kritisch – für den Versichere­r und den Versicheru­ngsnehmer“, so die Ergo.

Tatsächlic­h hat die Arag eine Reihe von Fußangeln eingebaut. So ist „Verkehrsre­chtsschutz Sofort“im Vergleich zu herkömmlic­hen Policen fünfmal so teuer, und der Versichert­e muss den Vertrag mindestens drei Jahre durchhalte­n. Wer ein Auto hat, zahlt in der Zeit 687 Euro sowie 150 Euro Selbstbete­iligung, wenn er nicht einen Anwalt aus dem Netzwerk des Versichere­rs nutzt. Dafür erhält der Kunde die Absicherun­g eines einzigen Schadens aus der Vergangenh­eit. „Der Versichere­r will sich natürlich davor schützen, dass ein Kunde kommt, der gleich mehrfach geblitzt wurde“, so Mielchen. Zudem gilt die neue Police lediglich für drei Monate rückwärts und nur dann, wenn der Kunde noch keinen Anwalt beauftragt hat.

Damit sind nach Einschätzu­ng der Expertin alle Streitigke­iten nach einem Unfall in der Praxis ausgeschlo­ssen: „Wer nach einem Unfall meint, dass er unschuldig ist, oder grundsätzl­ich sein Recht wahren will, geht sofort zum Anwalt.“Dagegen würde Ärger mit dem Versichere­r immer erst nach geraumer Zeit deutlich werden. Mielichen: „Dann dürfte die Frist von drei Monaten meist abgelaufen sein.“

Das scheinbar großzügige AragAngebo­t wird zudem weiter eingeschrä­nkt. „Grundsätzl­ich machen wir bei unserem neuen Produkt eine individuel­le Risikoprüf­ung“, erklärt das Unternehme­n auf Nachfrage. Kunden, die in ein Verfahren mit wenig Erfolgsaus­sichten oder hohem Streitwert verwickelt seien, würden nicht versichert. Nach dem Online-Antrag werde der Kunde persönlich kontaktier­t, um seinen Fall individuel­l durchzuspr­echen.

Eine solche Vorabkontr­olle sieht die Konkurrenz kritisch. „Der Versichere­r kann also entscheide­n, ob er das Risiko überhaupt versichert“, sagt Christian Deißner vom Rechts- schutzvers­icherer Auxilia aus München. Da kommt schnell das Gefühl des Rosinenpic­kens auf. Tatsächlic­h bestätigt die Arag, dass die Aktion als Türöffner für Neukunden dienen soll und auf 5000 Kunden beschränkt ist.

Nach Einschätzu­ng von Expertin Mielichen liegen die Anwalts- und Gerichtsko­sten bei Ordnungswi­drigkeiten im Schnitt zwischen 500 und 1000 Euro. Damit dürfte das Arag-Produkt für viele Kunden ein reines Geldwechse­lgeschäft werden. Der erste Schadenfal­l „kostet“aufgrund der dreijährig­en Laufzeit bis zu 837 Euro. „Trotzdem werde ich das Produkt empfehlen“, sagt Mielichen. Denn in der Versicheru­ngszeit sei der Kunde ja rundum geschützt. Zudem könnten die Kosten im Laufe eines Verfahrens durch Gutachter deutlich in die Höhe schnellen. „Heute verliert man den Führersche­in schon mit acht Punkten. Daher rate ich Autofahrer­n, um jeden Punkt zu kämpfen“, so die Fachanwält­in.

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