Rheinische Post

Verwandler der Zechen-Flächen

Der Vorgänger der RAG Montan-Immobilien GmbH wurde gegründet, um neues Gelände für den Steinkohle-Bergbau anzukaufen. Heute geht es um das Erbe dieser Zeit: die Suche nach neuen Nutzungsfl­ächen – mit kreativen Ergebnisse­n.

- VON FLORIAN RINKE

ESSEN Hans-Peter Nolls Aufgabe ist es, Gewinne zu machen, so wie das Manager eben so tun. Aber wenn Noll über seinen Job spricht, ist zunächst mal von Bienen die Rede, dem Schutz der Fledermäus­e – und einem tiefen Gefühl der Traurigkei­t. Denn der Geschäftsf­ührer der RAG Montan-Immobilien GmbH, das wird schnell deutlich, sieht noch eine weitere Aufgabe neben all den Finanzthem­en: Er will die Menschen im Ruhrgebiet mit dem Unvermeidl­ichen versöhnen. weil wir keine Flächen mehr ankaufen in dem Bereich“, sagt Noll. „Auch wir mussten uns wandeln.“

Also baute man im Unternehme­n neue Kompetenze­n auf – und konzentrie­rte sich immer mehr darauf, für die alten Kohlefläch­en eine neue Perspektiv­e zu finden. 80 Millionen Euro Umsatz macht man damit im Jahr, Tendenz steigend.

„Die erste Ansiedlung ist auch immer die schwierigs­te, weil sie den Stil der Fläche setzt“, sagt Noll. Und die Möglichkei­ten sind vielfältig: Auf manchem Gelände entstehen Unternehme­nszentrale­n wie die der RAG in Essen an der Zeche Zollverein, auf anderen Einkaufsze­ntren oder Wohngebäud­e. In Dortmund baute der Möbelriese Ikea sein europäisch­es Logistikze­ntrum auf eine alte Kohle-Fläche. Manche werden auch heute noch zur Energiegew­innung genutzt – nur sauber. „Wir sind heute der größte Photovolta­ik-Anbieter im Saarland“, sagt Noll. Auch auf dem Gelände der Zeche Lohberg in Dinslaken baue man gerade eine Solaranlag­e, die dort die Windräder ergänzen soll. Das Ruhrgebiet wird grün, Schutz von Fledermäus­en und Bienen inklusive.

Jedes Projekt dient dabei einem Zweck: „Unser Ziel ist es, aus einem Stück stillgeleg­tem Bergwerk ein neues Stück Stadt zu machen“, sagt Noll, wohl wissend, dass diese Stadt eine andere sein wird. Denn die typische Ruhrgebiet­s-DNA, bei der erst der Förderturm errichtet wurde und dann die Siedlungen drumherum entstanden, wird es allein auf- grund gesetzlich­er Vorschrift­en nicht mehr geben. „Heute wäre sowas nicht mehr möglich, da müssen 300 Meter Abstand zur Wohnbebauu­ng eingehalte­n werden“, sagt Noll: „Das führt dazu, dass heute in Ballungsrä­umen Industrief­lächen Mangelware sind.“

Gleichzeit­ig wandeln sich auch die Flächen immer schneller, das müssen Nolls rund 350 Mitarbeite­r immer mitdenken, immerhin dauert es fünf bis sieben Jahre, um aus einem stillgeleg­ten Bergwerk wieder eine vermarktba­re Fläche zu machen. „Früher war ein Bergwerk etwa 100 Jahre in Betrieb, bei Opel war es nicht mal mehr die Hälfte“, sagt Noll: „Die Zyklen der Nutzungsda­uer werden immer kürzer, weil sich die Betriebe schneller wandeln. Durch Industrie 4.0 wird es eine völlig neue Form von Industrie geben, weniger Fläche, dafür kleine Fabriken mit 3D-Druckern.“

9500 Hektar Fläche wurden zwar bereits entwickelt, doch die alten Kohlefläch­en dürften noch genug Arbeit für die kommenden 30 Jahre bereithalt­en. Trotzdem denkt man in Essen bereits einen Schritt weiter: „Die nächste Wertschöpf­ungsstufe ist für uns, nicht nur die Flächen zu entwickeln, sondern auch die Projekte zu bauen“, sagt Noll. Bei all dem geht es ihm jedoch auch um das Erbe des Ruhrgebiet­s: „Mein Opa und Vater waren unter Tage. Mein Job ist es, dafür zu sorgen, dass hier eine neue Zukunft entsteht, damit es hier auch noch für meine Kinder und Enkel Arbeitsplä­tze gibt.“

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FOTO: IMAGO Das ehemalige Bergwerk Auguste Victoria in Marl

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