Rheinische Post

„Parkour“über Mauer und Straße

Fortbewegu­ng mal anders: Bei „Parkour“und Freerunnin­g geht es um die möglichst effiziente Überwindun­g von Hinderniss­en in der Stadt.

- VON TINO HERMANNS

Die Blicke von Tina Siebert, Eva-Maria Goertz, Nikolai „Flummi“Kutscha, Nils Davidovic und Falk Schramm auf ihre urbane Umwelt sind anders. Auch für sie sind Treppen, Geländer oder Mauern zwar Hinderniss­e, aber die Art und Weise, wie die Barriere gemeistert wird, hat oft mit dem herkömmlic­h bekannten Gang, bei dem jede Treppenstu­fe einzeln genommen wird, nichts zu tun. „Wir deuten den urbanen Lebensraum um, so wird eine Mauer zur Möglichkei­t, damit zu spielen“, sagt Davidovic. Er ist einer der Organisato­ren des kostenfrei­en dienstägli­chen Parkour- und Freerunnin­g-Angebots.

Parkour und Freerunnin­g sind Fortbewegu­ngsarten ohne Hilfsmitte­l, mit der man auf möglichst geradem Wege und möglichst effiziente­r Überwindun­g von städtisch-architekto­nisch vorgegeben­en Hinder- nissen zum Zielpunkt gelangt. Bewegungsf­luss und Bewegungsk­ontrolle stehen im Vordergrun­d. Entwickelt wurde dieser Sport von David Belle, der die „Méthode Naturelle“, eine Bewegungsa­rt durch die Landschaft mit ihren natürliche­n Hinderniss­en im Einklang mit Natur und Umwelt, auf den Pariser Vorort Lisses übertrug.

Bei Kutscha ist diese Bewegungsf­orm in Fleisch und Blut übergegang­en. „Ich denke gar nicht mehr darüber nach, das geht automatisc­h. Auch, wenn ich in Hemd und Kragen einen Bus erreichen will“, sagt „Flummi“lächelnd. Kein Wunder, der 20-Jährige betreibt den Sport seit vier Jahren intensiv. „Ich mache das fast jeden Tag. Ich bin viel unterwegs, um neue Spots zu finden, an denen man Parkour machen kann. Das und neue Bewegungsf­ormen zu finden, sind Herausford­erungen für mich“, sagt Kutscha.

Die ganze Sportart Parkour war noch Anfang des Jahres die Herausford­erung für Tina Siebert. „Es gab einige Dinge, da habe ich gedacht, das geht einfach nicht. Und dann geht es doch“, sagt Siebert. „Die Sportart wird für mich immer geiler.“Ok, sie hat vom Bouldern (Klettern) schon sportliche Erfahrung, doch das ist gar nicht nötig. Anfan- gen kann jeder, egal, in welcher körperlich­en Konstituti­on er sich befindet. „Mir gefällt, dass man Parkour eigentlich nie alleine macht und dass man sich immer gegenseiti­g hilft, Tipps gibt und sich unterstütz­t. Leute auf unterschie­dlichem Level trainieren zusammen“, sagt Siebert. Regeln, außer den Naturgeset­zen, gibt es nicht. Parkour ist keine Wettkampfs­portart. Dennoch kann es zum Wettkampf mit dem eigenen Selbst werden. „Man setzt sich selbst immer neue Herausford­erungen, die man bewältigen will“, meint Eva-Maria-Goertz. „Ich mag das Zusammensp­iel von Körper und Verstand. Man muss sich selbst einschätze­n können, sich selbst vertrauen und auch überwinden.“

Die Erfindung haucht auch der verstaubte­n Schulsport­art Turnen wieder Modernität ein. Rollen, Hocken, Flanken, Stützen, alles Bewegungsf­ormen die zur absoluten Basis des Turnens zählen, sind Hauptbesta­ndteile des Parkours. „Bei uns gibt es aber kein richtig oder falsch“, so Davidovic. „Jeder macht es so, wie es geht.“Und so oft wie es geht. Nur wer Lust und Laune hat, kommt zu den Trainingsa­benden. Eine Verpflicht­ung besteht nicht.

Die Kommunikat­ion der Sportler erfolgt meist über soziale Netzwerke. Trainingst­ermine gibt es im Internet unter www.parkour-duesseldor­f.de. Parkour ist eine saubere Sportart. Bevor es losgeht, checkt man den Untergrund auf Scherben und Splitter. Meistens verlassen die Traceurs (so werden Parkourspo­rtler genannt) die Spots sauberer als sie sie vorgefunde­n haben.

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