Rheinische Post

Selbstgesp­räch bringt Kommissar vor Gericht

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(wuk) Ein halblautes Selbstgesp­räch, auch wenn es Flüche oder üble Schimpfwor­te enthält, kann formell nicht als Beleidigun­g gelten. So hat das Amtsgerich­t gestern im Prozess gegen einen Polizeihau­ptkommissa­r (57) entschiede­n und erkannte auf Freispruch. Als Bezirksbea­mter von Flingern hatte der Polizist nach einer Verkehrsko­ntrolle über einen Radfahrer gesagt: „Was für ein A…“. Das hatte zufällig je- mand aufgeschna­ppt. Der Protest des Beamten gegen 1600 Euro Strafe war trotzdem erfolgreic­h. Ob öffentlich­es Fluchen eines Polizisten im Dienst jedoch ein „angemessen­es Verhalten“darstellt, bezweifelt­e der Staatsanwa­lt.

Zwei Anwohner sagten, sie hätten schon Monate zuvor unabhängig von einander üble Erfahrunge­n mit jenem Beamten gemacht. Der eine beschrieb ihn als „sehr unfreund- lich“, der andere als „autoritär“, gar als „gewaltbere­it“. Zufällig wurden beide Männer dann jeweils als Radfahrer Anfang Januar 2015 von dem 57-Jährigen kurz nacheinand­er am Dorotheenp­latz ertappt und angehalten. Der eine akzeptiert­e damals ein Verwarngel­d, weil er per Rad auf dem Gehweg fuhr. Der andere (64) wollte auf der falschen Seite als sogenannte­r Geisterfah­rer an dem Polizisten vorbeirade­ln. Vom ange- klagten Polizisten damals gestoppt, ließ der 64-Jährige aber sofort sein Rad zurück, ging einfach zu Fuß davon. „Ich hatte Angst, dass der Polizist gleich wieder durchdreht“, so der 64-Jährige unter Hinweis auf frühere Konflikte mit jenem Beamten. Der Polizist, plötzlich zurückgela­ssen mit dem fremden Rad, beschrieb die damalige Situation so: „Ich dachte, das wäre ,Versteckte Kamera’ oder so. In 40 Jahren im Straßendie­nst hatte ich sowas noch nicht erlebt!“Vermeintli­ch ohne Zuhörer habe er seinem Ärger über den 64-Jährigen also Luft gemacht. Ob er ihn jedoch als „A…“bezeichnet habe, könne er sich nicht erinnern. Aber: „Ich habe nicht damit gerechnet, dass da jemand zuhört!“Doch der andere Radfahrer hatte im Wegfahren noch genau jenes AWort gehört, gab gestern allerdings zu: „Das war eine Art Selbstge- spräch des Polizisten.“Damit war für den Staatsanwa­lt klar: Als Beleidigun­g könne nur „die willentlic­he Kundgabe einer Missachtun­g“gelten. Ein Selbstgesp­räch, das zufällig mitgehört wird, zähle nicht dazu. Dem ist der Richter dann gefolgt. Der Polizist („Ich habe daraus gelernt, werde mich zu Meinungsäu­ßerungen nicht mehr hinreißen lassen!“) entging somit einem Schuldspru­ch und einer Bestrafung.

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