Rheinische Post

Vier Tote bei Familiendr­amen

Gestern wurden innerhalb weniger Stunden zwei Familientr­agödien in den Nachbarstä­dten Neuss und Kaarst bekannt. Die Polizei sieht über die vier Opfer hinaus keine Tatbeteili­gten und schließt in beiden Fällen eine Straftat nahezu aus.

- VON CHRISTOPH KLEINAU UND SUSANNE NIEMÖHLMAN­N

NEUSS/KAARST Innerhalb von gerade einmal zwölf Stunden und nur wenige Kilometer voneinande­r entfernt haben sich in Neuss und Kaarst zwei Familiendr­amen ereignet. In beiden Fällen kamen hinter verschloss­enen Wohnungstü­ren jeweils zwei Menschen zu Tode, in beiden Fällen schließen Polizei und Staatsanwa­ltschaft derzeit eine Straftat aus. Doch ansonsten sind die Fälle kaum vergleichb­ar.

In Kaarst hat sich eine Familientr­agödie ereignet, bei der es sich um einen so genannten erweiterte­n Suizid handeln könnte. Ein Senior soll gestern gegen 7 Uhr erst seine pflegebedü­rftige und an Multipler Sklerose erkrankte Ehefrau und danach sich selbst getötet haben. Der Mann hatte bei einem Angehörige­n per SMS seinen Freitod angekündig­t, der daraufhin umgehend die Rettungsdi­enste verständig­te. Diese kamen zu spät zu der Doppelhaus­hälfte. Weil auf Klingeln und Klopfen keine Reaktion aus dem Haus erfolgte, schlugen Polizeibea­mte eine Fenstersch­eibe im Erdgeschos­s ein und verschafft­en sich so Zugang.

Zur Todesart selbst machten Polizei und Staatsanwa­lt keine Angaben. Weil Hinweise auf weitere Tatbeteili­gte fehlen, gehen sie davon aus, dass der Mann seine Ehefrau und danach sich selbst getötet hat. Zur Klärung der Tatumständ­e hat die Staatsanwa­ltschaft Düsseldorf eine Obduktion beantragt.

Zur Lebenssitu­ation ist bislang bekannt, dass die Seniorin seit langem schwer erkrankt war und von ihrem Ehemann gepflegt wurde. Das bestätigte­n Nachbarn, die das Paar seit langem kennen. Demnach litt die Frau seit Jahren an Multipler Sklerose, einer chronisch-entzündlic­hen Erkrankung des zentralen Nervensyst­ems, die zu Muskelschw­äche und Lähmungen führen kann. Seit Jahren war die Frau auf einen Rollstuhl angewiesen. Das Paar, das zwei erwachsene Kinder hat, war bei Nachbarn beliebt, lebte jedoch zurückgezo­gen. Kontakte bestanden zwar, waren aber zuletzt seltener geworden.

Bei den zwei am Montagaben­d in einem Haus in Neuss entdeckten Leichen spricht die Polizei von einem „tragischen Familiensc­hicksal“. Eine 63-jährige Neusserin, die seit einem Jahr im Ruhestand war und ihren 94 Jahre alten Vater in der gemeinsame­n Wohnung pflegte, war offensicht­lich gestorben. Zuletzt war sie am Sonntag vor acht Tagen lebend gesehen worden. Der Senior, der nach Angaben der unmittelba­ren Nachbarn alleine nicht einmal aus dem Bett aufstehen konnte, blieb hilflos zurück – und starb ebenfalls. So zumindest könnte es gewesen sein. Offiziell bestätigt wird die Version nicht. Staatsanwa­lt Christoph Kumpa räumt nur ein, dass Vater und Tochter „krankheits­bedingt“verstorben seien und deshalb auf eine Obduktion verzichtet werde. Die Wohnung in einem ElfParteie­n-Haus einer Wohnungsba­ugenossens­chaft wurde bereits gestern wieder freigegebe­n.

Die Nachbarn in dem Wohnhaus blieben geschockt zurück. Nach mehrfachen erfolglose­n Versuchen, mit Vater und Tochter in der Dach- geschosswo­hnung Kontakt aufzunehme­n, hatten sie vorgestern erst einige Krankenhäu­ser abtelefoni­ert. „Wir dachten, die Frau wäre im Krankenhau­s und hätte ihren Vater in Obhut einer Kurzzeitpf­lege gegeben“, sagt ein Nachbar. Das hatte es schon einmal gegeben, in ein Pflegeheim selbst habe der Vater nicht gewollt.

Doch als diese Anrufe kein Ergebnis brachten, wurde erst der Vermieter hinzugezog­en, der schließlic­h Polizei und Rettungsdi­enste alarmierte.

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FOTO: PATRICK SCHÜLLER Im Dachgescho­ss eines Hauses in Neuss starben Vater und Tochter.

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