Rheinische Post

Der Alltagstro­tt ist eine lässige Gangart

Die Ferien hätte man durchaus länger auskosten können – zumal die Sonne uns gerade den Hochsommer präsentier­t. Doch die Rückkehr in Pflicht und Routine muss nicht schlimm sein. Denn sie spenden uns auch ein wenig Halt in dieser Welt.

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Nun sind die Kinder morgens wieder mit ihren Schultasch­en unterwegs. Das Leben hat erneut den Rhythmus der Pflichten angenommen, Wecker klingeln, Termine rufen, zurück im Trott. Seltsamerw­eise erfüllt einen das eher im Voraus mit Melancholi­e. Die schönen Ferien, das freie Leben, nun soll es damit wieder aus und vorbei sein?

Der Gedanken daran lässt uns unwillig seufzen, schließlic­h ist der Mensch doch eigentlich für die Freiheit gemacht; er sollte am Meer oder in den Bergen leben und auf jeden Fall so lange schlafen, wie es ihm passt!

Und dann posaunt die Sonne auch noch verspätet Hochsommer über das Land, bringt die ersehnte Ferienhitz­e, als sei auch das Wetter überzeugt, dass das süße Leben noch nicht genügend ausgekoste­t sei, weil doch noch gar nicht alle Urlaubsplä­ne erfüllt, alle Bücher gele- sen, alle Abenteuer erlebt, alle Eis gegessen sind.

Doch so schön es ist, die Tage einfach auf sich zuströmen zu lassen, ihnen ohne Plan, aber voller Erwartunge­n zu begegnen und bereit zu sein, für das, was dann kommt. Die Rückkehr in das Korsett des Alltags ist meist gar nicht so schlimm wie erwartet. Manchmal hat sie sogar etwas Erleichter­ndes. Und natürlich verzeichne­t der in Selbstbeob­achtung geübte Zeitgenoss­e auch das schon wieder irritiert.

Dabei sollte man das Entlastend­e des Trotts einfach als kleines Alltagsges­chenk entgegenne­hmen. Die Erleichter­ung ist nämlich kein Zeichen dafür, dass die meisten Menschen schon völlig pflichtver­dorben sind und ohne den unsichtbar­en Zwang der Routinen verloren wären. Vielmehr bemühen sich die meisten Leute nur darum, dass auch ihr Alltag schöne Seiten hat, Herausford­erungen genauso bereithält wie Mo- mente der Entspannun­g und des Beisammens­eins mit anderen. In dieses Gefüge zurückzuke­hren, bedeutet, seinen Platz wieder einzunehme­n, zurückzutr­eten in die Zusammenhä­nge, die Bindungen, die den Einzelnen tragen. Natürlich tut das gut. Und verdient durchaus Beachtung – und sogar Dankbarkei­t. Es ist schön, wenn man Halt in der Welt gefunden hat.

Ferien sind das andere, das nach Sonne auf der Haut, Nordseekra­bben, Alpenwiese­n riecht und das Sollen durch das Wollen ersetzt. Und natürlich könnte man das länger aushalten als Arbeitgebe­r und Schulbehör­den dem Einzelnen so zugestehen. Aber es gilt, auch das Glück im Gewohnten, im Unscheinba­ren nicht zu verkennen. Trott muss nicht stupide sein, er ist auch eine lässige Gangart.

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