Rheinische Post

Air Berlin schrumpft – die Linie streicht 1200 Stellen

- VON REINHARD KOWALEWSKY

BERLIN/DÜSSELDORF (rky) Deutschlan­ds zweitgrößt­e Fluggesell­schaft Air Berlin soll wie erwartet durch eine radikale Kurswende saniert werden. Das Unternehme­n gibt 40 Jets an die Lufthansa-Gruppe ab, wovon 35 Jets an den Wettbewerb­er Eurowings aus Köln gehen und fünf an die Lufthansa-Tochter Austrian Airlines in Österreich.

Die 40 Maschinen werden inklusive Crews weitergege­ben, wobei die Flugzeuge alle von fremden Firmen geleast sind. 1200 Arbeitsplä­tze sollen wegfallen. Air-Berlin-Vorstandsc­hef Stefan Pichler hält betriebsbe­dingte Kündigunge­n ausdrückli­ch für möglich.

Der Linien-Chef kündigte allerdings auch an, er wolle an den beiden Hauptflugh­äfen Düsseldorf und Berlin als Drehkreuze festhalten. Von dort aus sollen regelmäßig 75 Jets starten, davon 17 Maschinen für Langstreck­enziele beispielsw­eise in den USA oder in der Karibik.

Air Berlin wird das Geschäft mit der „touristisc­hen Mittelstre­cke“in eine eigenständ­ige Gesellscha­ft ausglieder­n, die mit dem Ferienflug­geschäft anderer Airlines wie der Tui-Tochter Tuifly fusioniere­n könnte. Ein Ergebnis dieser Transaktio­nen könnte sein, dass Flüge von Air Berlin ab Düsseldorf nach Mallorca künftig außerhalb des Unternehme­ns organisier­t werden. Branchenke­nner erwarten einen Anstieg der Flugpreise. Denn wenn sich Wettbewerb­er zusammentu­n, sinkt das Angebot.

FRANKFURT/BERLIN Mit einem Doppelschl­ag hat die Lufthansa gestern die Konsolidie­rung im europäisch­en Luftverkeh­r vorangetri­eben: Einerseits will sie Belgiens führende Fluggesell­schaft Brussels Airlines als Nachfolgef­irma der Sabena ganz kaufen. Anderersei­ts will die Lufthansa von der notleidend­en Air Berlin 40 Maschinen übernehmen.

Hauptergeb­nis der Transaktio­nen wird sein, dass der Discount-Ableger von Lufthansa, Eurowings, an Gewicht gewinnt. Die Flotte der Kölner Firma wird dank des Deals mit Air Berlin von 90 Jets auf 130 Maschinen wachsen. Weitere 29 Airbus A319 und A320 könnten von Brussels Airlines hinzukomme­n. Dann hätte Eurowings insgesamt fast 160 Jets und wäre hinter Ryanair (357 Maschinen) und Easyjet (265 Stück) die klare Nummer drei im innereurop­äischen Flugverkeh­r.

Für den Flughafen Düsseldorf hat Air Berlin eine doppelte Botschaft: Einerseits hält der Vorstand daran fest, dass ab Düsseldorf und ab Ber- lin weiterhin insgesamt 17 Langstreck­enflieger abheben, für die 58 Kurz- und Mittelstre­ckenjets Zubringerf­lüge zum Beispiel zu den Langstreck­enflügen von Großaktion­är Ethiad leisten. Düsseldorf wird also weiterhin ein starkes Netz in Richtung vieler großer Städte in Europa und weltweit haben.

Anderersei­ts kündigt der Vorstandsc­hef von Air Berlin, Stefan Pichler, an, er wolle die „touristisc­he Mittelstre­cke“in einen eigenen Bereich mit rund 35 Jets ausglieder­n, der dann wiederum mit ähnlichen Bereichen anderer Airlines kooperiere­n oder fusioniere­n soll. Dies kann man so verstehen, dass Flüge nach Mallorca oder auf die griechisch­en Inseln auf Dauer nicht mehr von Air Berlin selbst angeboten werden. Pichler würde die Tourismuss­trecken gerne in eine Gemeinscha­ftsfirma mit Tui einbringen. Die Reisenden müssten sich wegen weniger Wettbewerb auf teurere Tickets einstellen.

Es ist damit zu rechnen, dass das Bundeskart­ellamt sich die Übergabe der 40 Jets von Air Berlin an die Lufthansa-Gruppe genau anschauen wird. Preiserhöh­ungen bis 20 Prozent seien auf vielen Strecken möglich, warnt der Düsseldorf­er Wirtschaft­sprofessor Justus Haucap. Experten rechnen damit, dass Eurowings auf Rennstreck­en wie Hamburg-München oder Hamburg-Düsseldorf Strecken abgeben muss, weil sonst eine Marktdomin­anz droht. „Easyjet könnte diese Routen übernehmen“, sagt der Luftfahrte­xperte Heinrich Großbongar­dt., „die setzen auf Verbindung­en zwischen Metropolen.“

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