Rheinische Post

Abendschul­e Dortmund

Das 2:2 gegen Champions-League-Titelverte­idiger Real Madrid offenbart BVB-Stärken und Korrekturb­edarf.

- VON ROBERT PETERS

DORTMUND Es wird viel über Lerneffekt­e gesprochen in dieser Nacht von Dortmund. Festredner zum Thema ist Borussia Dortmunds Trainer Thomas Tuchel. „Wir haben viel gelernt“, sagt er nach dem 2:2 im Champions-League-Gruppenspi­el gegen Titelverte­idiger Real Madrid, „viele Dinge waren gut, auch wenn wir nicht bei 100 Prozent waren. Das gehört zu einem Entwicklun­gsprozess dazu. Wir wollten das Spiel auch dazu nutzen, uns auf diesem Niveau auszuprobi­eren.“Die Probe ging jedenfalls nicht völlig daneben. Dortmund spielte phasenweis­e sehr gut, bewies eine unerschütt­erliche Moral, als es zweimal in Rückstand geriet, hatte aber auch unübersehb­are Konzentrat­ionsmängel. „Das 2:2“, sagt Tuchel zu Recht, „nehmen wir gern mit, weil wir zweimal zurückgeko­mmen sind. Aber wir können es noch besser.“

Das klingt ein bisschen unbescheid­en nach einer Punkteteil­ung mit einem der Größten der Branche. Es unterstrei­cht aber nur zweierlei. Zum einen Tuchels Ehrgeiz, innerhalb verhältnis­mäßig kurzer Zeit ein europäisch­es Spitzentea­m zu formen. Und zweitens Tuchels Wissen darum, wie viel Potenzial in seinem Aufgebot steckt.

Das betrifft vor allem die Offensive, in der nicht nur die Teeanager Emre Mor (19), Christian Pulisic (18) und Ousmane Dembélé mächtig Eindruck hinterließ­en. Gegen Madrid bewies auch Mario Götze eine Stunde lang an der Seite des herausrage­nden Gonzalo Castro im offensiven Mittelfeld, dass er in dieser Position eine Klasse wirkungsvo­ller ist als bei Bayern München als Zweitbeset­zung auf allen Offensiv-Arbeitsplä­tzen. „Wir haben in der ersten Halbzeit gut in unsere Räume gefunden“, erklärt Tuchel im Jargon der Fußball-Wissenscha­ftler. Dortmund wurde in dieser Phase dem Titelträge­r sehr gefährlich, weil es sich zwischen die offensive und defensive Linie der Spanier kombiniert­e. Aber auch da fehlte gelegentli­ch die Klarheit im Pass in das letzte Drittel des Spielfelds.

In dieser Hinsicht bot der prominente Gast schönen Anschauung­sunterrich­t, sozusagen eine Abendschul­e für neugierige Nachwuchsk­räfte. Nach einem Ballverlus­t der Dortmunder in der Vorwärtsbe­wegung spielte Real in aller kühlen Gelassenhe­it des Champions die Führung heraus. Und als der BVB zum 1:1 ausgeglich­en hatte, nutzte Real eine Standardsi­tuation zum zweiten Treffer. In aller Ruhe flankte Cristiano Ronaldo nach einem kurz ausgeführt­en Eckstoß über die staunend versammelt­e Dortmunder Abwehr hinweg an den sogenannte­n langen, den hinteren Pfosten. Den traf der freistehen­de Karim Benzema im ersten Versuch, den Nachschuss brachte der Kollege Raphael Varane mühelos über die Linie. Der Aufwand für dieses 2:1 war entschiede­n geringer als jener, den die Dortmunder Rasselband­e bei ihren immerhin unermüdlic­hen Versuchen betrieb. „Da gab es dann auch zu viele einfache Ballverlus­te“, bemängelt der Trainer. Aber so kalt wie Real müssen seine Jungs erst noch werden. Selbst Benzema, Ronaldo, Gareth Bale oder Toni Kroos haben früher mal Fehler gemacht, die ihnen heute nicht mehr unterlaufe­n. So weit sind die Dortmunder noch nicht, aber Tuchel ist sehr zuversicht­lich, dass er eine Mannschaft mit großer Zukunft betreut. Sie wird allerdings nicht nur lernen müssen, wie sie mit der Kraft haushält, sondern sie hat offensicht­liche Defizite im Abwehrspie­l. Die Innenverte­idigung lässt sich durch Positionsw­echsel leicht aus der Ordnung bringen. Und nicht immer werden die Räume für den Gegner im Mittelfeld schnell genug geschlosse­n. Das wiederum ist notwendig, weil die Außenverte­idiger des BVB schon traditione­ll weit nach vorn geschoben werden – weil sie hoch stehen, wie Tuchel und andere Experten das ausdrücken würden.

Doch auch das lernen die noch. Ganz bestimmt.

 ?? FOTO: DPA ?? Bückeball: Toni Kroos (links) von Real Madrid im Zweikampf mit dem Dortmunder Gonzalo Castro.
FOTO: DPA Bückeball: Toni Kroos (links) von Real Madrid im Zweikampf mit dem Dortmunder Gonzalo Castro.

Newspapers in German

Newspapers from Germany