Rheinische Post

Filzschule gibt wegen Parkgebühr­en auf

Die Kursteilne­hmer in Inga Niemanns kleiner Wohlfühloa­se an der Parkstraße in Pempelfort kündigen reihenweis­e, weil sie nicht bereit sind, die höheren Kosten zu tragen. Zum Ende des Jahres gibt sie auf und sucht nun einen Nachmieter.

- VON MARC INGEL

PEMPELFORT Es gibt gerade in aufstreben­den Stadtteile­n wie Pempelfort diese kleinen inhabergef­ührten Läden, in denen Idealisten sich und ihre Träume verwirklic­hen, auch wenn es damit nicht das große Geld zu verdienen gibt. Inga Niemannn zum Beispiel hat vor knapp neun Jahren an der Parkstraße eine Filzschule eröffnet, wo sie Kurse für Erwachsene­n, zumeist Frauen, anbietet. „Es war nie eine Goldgrube, ich habe viele weitere Jobs, leite Arbeitsgem­einschafte­n an Grundschul­en, so dass unter dem Strich zumindest kein Verlust stand. Das Atelier war für mich immer eine Herzensang­elegenheit.“

Sie sagt bewusst „war“, denn die Filzschule gibt sie auf, Ende des Jahres ist Schluss. Ausschlagg­ebend für die Entscheidu­ng sei vor allem die Erhöhung der Parkgebühr­en bei ihr in der Straße Anfang des Jahres von 1,10 auf 2,10 Euro gewesen, außerdem sei die gebührenpf­lichtige Parkzeit von 18 auf 20 Uhr ausgedehnt worden. „Ich habe sechs Kursteilne­hmerinnen mit einem Jahres-Abo, die neben den Geburtstag­s-Workshops die Schule tragen. Sie wohnen zum Teil in Unterbach oder Meerbusch und kommen direkt nach der Arbeit mit dem Auto zu mir. Fünf von ihnen haben jetzt gekündigt“, sagt Niemann.

Sie habe sogar Verständni­s dafür, denn hochgerech­net müssten ihre Schülerinn­en wegen der Erhöhung der Parkgebühr­en statt insgesamt 60 nun bis zu 85 Euro für einen Kurs berappen. „Irgendwann ist die Schmerzgre­nze erreicht. Früher haben wir die Kurse extra um 18 Uhr beginnen lassen, aber das bringt ja jetzt auch nichts mehr“, sagt die Angermunde­rin, die selbst nur noch wenig Zeit in ihrem Atelier verbringt. „Mindestens zwei Stunden gehen bei mir immer schon wegen des Aus- und Einladens von Material drauf. Das ist auf Dauer wie eine zweite Miete, ich bin doch keine Großverdie­nerin.“Denn: „Anfangs habe ich noch gedacht, ich hätte ein Anrecht auf einen Anwohnerpa­rkausweis, aber das war auch ein Irrglaube.“Eine Garage hätte sich nicht gelohnt, „dafür bin ich zu viel unterwegs“.

Inga Niemann steht nach eigener Aussage vor einem finanziell­en Desaster. Voller Optimismus habe sie vor einigen Jahren noch rund 10.000 Euro in den Umbau der Schule investiert, Thermofens­ter installier­en, passgenaue Regale aus Eiche einbauen sowie Villeroy & Boch-Fliesen verlegen lassen. Und: „In dem Glauben, es wird jedes Jahr etwas besser, habe ich mit meinem Vermieter einen Vertrag über zehn Jahre geschlosse­n, zu günstigen Konditione­n, ich zahle hier für knapp 40 Quadratmet­er 480 Euro plus Nebenkoste­n im Monat. Aber das kann ich mir jetzt nicht mehr leisten.“Niemann hofft, dass sie einen Nachmieter findet, der bereit ist, den Mietvertra­g (fünfeinhal­b Jahre) zu übernehmen. „Es ist ein attraktive­r Standort in unmittelba­rer Nähe der Nordstraße, vielleicht etwas für ein Schmuckate­lier.“

Dem Oberbürger­meister habe sie ihre Sorgen bereits geschilder­t, aber als Antwort erhalten, dass das große Ganze vorgehe. Inga Niemann ist frustriert, hat den Glauben an den Filz aber nicht verloren. Sie hat ein Buch über ihre Leidenscha­ft geschriebe­n, in den Schulen bereite sie mit den Kursen den Kindern nach wie vor viel Freude und Erwachsene­n verschaffe die Kleinunter­nehmerin Ablenkung und Entspannun­g zugleich. Kunden seien sogar aus Chile oder von den Falklandin­seln zu ihr gekommen, auch auf Facebook erhalte Niemann viel Zustimmung. „Doch all das hilft mir in dieser Sache nicht. Das ist für mich hier nur noch ein reines Verlustges­chäft.“

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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Inga Niemann will ihre Filzschule Ende des Jahres aufgeben und sucht nun nach einem Nachmieter.

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