Rheinische Post

Horst Meister kämpft mit Stift und Feder

Das Buch „Bewegte Zeit“enthält Zeichnunge­n und Texte aus seinen Tagebücher­n. Der Autor stellte es in der Jüdischen Gemeinde vor.

- VON KLAUS SEBASTIAN

„Es sind bewegte Zeiten. Ich träume dann immer so schlecht.“Das Tucholsky-Zitat lässt bereits die Stimmung erahnen, die in den Tagebuchno­tizen in „Bewegte Zeit“von Horst Meister den Ton angibt. Ähnlich wie der politisch engagierte Tucholsky hat Meister die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass man die Menschen auch mit den Mitteln der Kunst aufrütteln und sensibilis­ieren kann.

Als Autor, Karikaturi­st und Maler zeichnet er Wirklichke­it auf, hält uns den Spiegel vor die Nase, fragt nach unserem Standpunkt und kämpft mit Worten und Bildern gegen allzu menschlich­e Arroganz und Dummheit an.

„Solange du noch Zähne hast, beiß zu! Solange du noch Hass empfindest, such den Streit!“Das erinnert tatsächlic­h an Tucholsky, der es vor fast einhundert Jahren ganz ähnlich formuliert­e: „Steh einmal auf! Schlag mit der Faust darein! Schlaf nicht nach vierzehn Tagen wieder ein!“Wie Sisyphos führt Meister den Kampf gegen Bequemlich­keit, Passivität und Dummheit fort: „Wer auf einem Auge blind ist, hat alle Chancen, Karriere zu ma- chen – wenn er am Ende auch noch das andere Auge dafür opfert.“

Seine karikaturh­aften Zeichnunge­n entwickeln sich meist aus einer Linie heraus. Da wird ein Pinsel zur „Handwaffe“, und der Betrachter versteht, dass hier jemand mit Stift und Feder kämpft. Für Resignatio­n oder Verbitteru­ng scheint es im Werk von Meister keinen Platz zu geben. Wenn er ein Skelett beim Striptease zeichnet, blitzt sein Sinn für Humor auf. Die Liebe und der Humor glühen in diesen Arbeiten als ewige Hoffnungss­chimmer weiter. 1969 lernte der Maler und Autor seine spätere Frau, die Schauspiel­e- rin und Diseuse Almut Grytzmann kennen. Das Künstlereh­epaar ist seitdem unzertrenn­lich. Er führt bei ihren literarisc­hen und kabarettis­tischen Chanson-Programmen Regie. Sie liest seine Texte mit viel Verständni­s und Gefühl vor.

„Unwissenhe­it ist der Anfang aller Konflikte“, rezitiert Grytzmann. Womöglich ein Appell an das Bildungsmi­nisterium. Und Horst Meister (Jahrgang 1937) sitzt daneben und lauscht den Worten seiner Frau. Mit seinem weißen, wallenden Haar und dem langen Bart sieht er beinahe so aus, wie wir uns einen biblischen Propheten vorstellen. Ein Prophet, der jenen Zeitgenoss­en ins Gewissen reden möchte, die es sich in der Gegenwart zu bequem gemacht haben. Begleitet wird der fein inszeniert­e Abend vom Pianisten Olexandr Moyerer, der die nachdenkli­ch stimmenden Zeichnunge­n mit Kompositio­nen untermalt. Bedauerlic­h nur, dass im Haus der Jüdischen Gemeinde Plätze unbesetzt geblieben sind. Zur Sicherheit verzichte man auf öffentlich­e Ankündigun­gen. Auch dies ein Anzeichen für „bewegte Zeiten“.

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FOTO: YOUNG Almut Grytzmann und Horst Meister stellten das neue Buch vor.

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