Rheinische Post

Drei Frauen mischen Japans männlich geprägte Politik auf

Verteidigu­ngsministe­rin, Parteivors­itzende oder Gouverneur­in von Tokio: Japanische Politikeri­nnen erobern wichtige Posten.

- VON SONJA BLASCHKE

TOKIO „Ich bin bereit, vom Berg Fuji zu springen“, sagte Renho Murata, als sie kürzlich ins Rennen um den Parteivors­itz der Demokratis­chen Partei Japans (DPJ) einstieg. In Japan wird die Sprung-Metapher häufig verwendet, wenn sich jemand einer großen Herausford­erung stellen will. Das trifft für Renho Murata, die alle nur Renho nennen, zweifelsoh­ne zu. Die 48-Jährige will ihre am Boden liegende Partei wieder aufrichten, so dass diese ein ernsthafte­s Gegengewic­ht zur regierende­n liberaldem­okratische­n Partei (LDP) sein kann. Zugleich muss sich Renho, die als Tochter eines Taiwaners und einer Japanerin zur Welt kam und selbst zwei Kinder hat, gegen Vorurteile über Ausländer und arbeitende Mütter wehren. Im Wahlkampf wurde ihr ihre doppelte Staatsbürg­erschaft fast zum Verhängnis. Doch am Ende siegte sie.

Japans Politikwel­t ist ein eingeschwo­rener Männervere­in. Trotzdem haben es in den letzten Wochen drei Frauen in prominente Ämter geschafft. Neben Renho setzte sich Yuriko Koike gegen den Gegenkandi­daten ihrer eigenen Partei als erste Gouverneur­in von Tokio durch. Und der politische ShootingSt­ar Tomomi Inada wurde nach erst elf Jahren in der Politik Verteidigu­ngsministe­rin.

Ob die drei neuen Powerfraue­n tatsächlic­h die Vorboten eines dauerhafte­n Wandels in der japanische­n Gesellscha­ft werden, muss sich zeigen. Es ist nicht das erste Mal, dass mehrere Politikeri­nnen zu Hoffnungst­rägerinnen wurden. Eine Pionierin war die beliebte Takako Doi, die 1986 die erste Chefin der Sozialisti­schen Partei Japans wurde. Auf sie folgte Mizuho Fukushima, lange einige der wenigen sichtbaren Politikeri­nnen. Vor zwei Jahren berief Premiermin­ister Shinzo Abe fünf Ministerin­nen ins Kabinett. Doch zwei mussten bald den Hut nehmen, und bald verlor sich der Schwung wieder.

Renho genießt eine hohe Beliebthei­t in Japan. Sie wird von allen, die sie persönlich erlebt haben, als sehr charismati­sch beschriebe­n, wirkt zugänglich und sympathisc­h. Das Markenzeic­hen des früheren Models sind ihre kurzen Haare, ihre weißen Jacken und ihre scharfe Zunge. Die ehemalige Fernsehmod­eratorin nutzt ihre Eloquenz, um Bürokraten in die Mangel zu nehmen, etwa zur Verschwend­ung von Steuergeld­ern bei Großprojek­ten.

Auch Yuriko Koike nahm den Weg über das Fernsehen in die Politik. Vor Kameras spricht die frühere Moderatori­n noch heute klar und deutlich, wirkt ruhig. Nach einem Jahr im Oberhaus zog sie 1993 ins Unterhaus ein, wo sie acht Amtsperiod­en absolviert­e. Sie war erst Umweltmini­sterin im Kabinett von Junichiro Koizumi, später erste Verteidigu­ngsministe­rin unter Shinzo Abe. So sanft sie spricht, gilt sie doch als erzkonserv­ativer „Falke“und schrieb oft scharfe Kolumnen zu Sicherheit­sthemen, etwa zu Nordkorea.

Im August wurde sie als erste Frau Gouverneur­in von Tokio – dank ihres Eigensinns. Anstatt sich erst von ihrer Partei den Segen zu holen, bewarb sie sich eigenmächt­ig um eines der wichtigste­n Ämter im Land. Sie siegte mit über einer Million Stimmen Vorsprung. Die 64-Jährige nennt Margaret Thatcher und Hillary Clinton als ihre politische­n Vorbilder. Während Clinton von einer „gläsernen Decke“sprach, an die Frauen auf dem Karrierewe­g irgendwann stoßen würden, sei diese Decke in Japan aus Eisen oder Stahl, sagte Koike. Diese könne man nur mit Hartnäckig­keit durchbrech­en.

Sowohl Koike als auch Tomomi Inada, die nun als zweite Frau an der Spitze des Verteidigu­ngsministe­rium steht, werden als mögliche künftige erste Premiermin­isterin Japans gehandelt. Der aktuelle Amtsinhabe­r Shinzo Abe selbst sorgte dafür, dass die 57-jährige frühere Anwältin vor elf Jahren den Einstand in die Politik schaffte. 2012 machte er Inada dann zur Reformmini­sterin und gab ihr zwei Jahre später eines der wichtigste­n Parteiämte­r als Leiterin des politische­n Rates. Noch eines eint alle drei Frauen: Sie sind knallharte Nationalis­tinnen.

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