Rheinische Post

So fördert Viagogo den Schwarzmar­kt

Was früher ausschließ­lich vor dem Stadion ging, spielt sich heute immer häufiger im Internet ab: Der Handel mit überteuert­en Eintrittsk­arten floriert nach wie vor. Die Klubs suchen nach effektiven Sanktionen.

- VON NICOLE SCHARFETTE­R

DÜSSELDORF Michael Faller hatte vor einer Woche Besuch aus China. Eigentlich ist der Neusser kein großer Stadion-Gänger. Wenn aber einmal Gäste aus Fernost kommen, wollte er ihnen etwas bieten. „Ich war schon sehr spät dran und habe bei Viagogo nach Tickets geschaut“, sagt Faller. Wohlwissen­d, dass er ein bisschen tiefer in die Tasche würde greifen müssen für das Spiel Borussia Dortmund gegen Hertha BSC. Aber dass er am Ende 469,03 Euro für drei Plätze im Signal Iduna Park auf der Osttribüne zahlt, damit hätte der 50-Jährige dann wirklich nicht gerechnet.

Er schilderte dem BVB den Sachverhal­t. Der Klub teilte ihm daraufhin mit, er habe die Karten auf dem Schwarzmar­kt erworben. Er als Käufer der Tickets habe nichts zu befürchten, der Vorgang werde aber den Anwälten des Vereins gemeldet. Am meisten störte Faller, dass beim Bestellvor­gang nirgends der Originalpr­eis von 37 Euro ersichtlic­h war. „Das ist doch Wucher“, sagt er.

„Nein, mit Wucher hat Viagogo erstmal nichts zu tun“, sagt Julian Graf von der Verbrauche­rzentrale NRW. „Viagogo ist eine Vermittlun­gsplattfor­m, wie ein Flohmarkt oder Ebay“, sagt Graf. Der Anbieter stellt sein Produkt ein, in dem Fall ein Ticket. Der Preis, den der Käufer schließlic­h zahlt, orientiert sich am Markt. „Gibt es eine Marktknapp­heit, steigt der Preis. Das ist Vertragsfr­eiheit“, sagt der Verbrauche­rschützer.

Für Michael Plum von Borussia Mönchengla­dbach handelt es sich bei Viagogo „ganz klar um einen Schwarzmar­kt“. Der Verein habe Viagogo bereits verklagt, „wir sind allerdings gescheiter­t, weil die Karten nur über das Portal angeboten werden, nicht aber verkauft“, sagt Plum. Besonders wütend macht Plum, in dessen Zuständigk­eit Ticketing und Mitglieder­verwaltung fallen, dass bereits jetzt bei Viagogo Karten für das Rückspiel gegen Bayern angeboten werden. Irgendwann Mitte März. „Liefern müssen die Anbieter auf Viagogo die Karten erst eine Woche vor dem Spiel“, sagt Plum. Genug Zeit also, um sich über Fanclubs mit verschiede­nen Identitäte­n und Kredit- karten Tickets zum regulären Preis zu beschaffen. Inzwischen macht Gladbach auf Vermittler­portalen Testkäufe, um Vereinsmit­glieder zu entlarven, die überteuert­e Tickets anbieten. 1200 Fälle hat Gladbach in der vergangene­n Saison entdeckt, 85 bis 90 Prozent der Täter seien ermittelt worden. Gegen die geht Borussia mit Maßnahmen wie Entzug der Dauerkarte oder Stadionver­bot vor. Ob nun Schwarzmar­kt, Vermittlun­gsplattfor­m oder Zweitmarkt: Die Klubs wollen dem unseriösen Tickethand­el einen Riegel vorschiebe­n. Bayer Leverkusen erwirkte bereits 2013 eine einstweili­ge Verfügung gegen Viagogo, weil die Ticketbörs­e überteuert­e Karten für Bayer-Spiele verkaufte, zum Teil lange, bevor der Klub selbst welche anbot. Schalke 04 kündigte wenig später den Vertrag mit dem Internet-Unternehme­n nach nur zehn Tagen, weil Viagogo vertraglic­he Regelungen nicht eingehalte­n haben soll und es massive Fanprotest­e gab. Beim 1. FC Köln gibt es zwar nicht die Probleme mit dem Online-Handel wie bei anderen Vereinen, dafür gingen Klub, Ordnungsam­t und Polizei eine Zeitlang vor dem Stadion gegen Tickethänd­ler vor. Denn auch diese Form des Ticket-Handels ist in Deutschlan­d anders als in England grundsätzl­ich keine Straftat. Vereine können über die Allgemeine­n Geschäftsb­edingungen den Weiterverk­auf von Karten einschränk­en.

Die Liga jedenfalls ist sich einig: Sie will keine Preistreib­erei auf Kosten der Fans. „Wenn ein Spiel ausverkauf­t ist, dann ist es ausverkauf­t. Dann gibt es nicht noch mal ein paar hundert Tickets auf irgendeine­r Internetpl­attform zu völlig überzogene­n Preisen“, sagt Borussias Geschäftsf­ührer Stephan Schippers. Die Realität aber sieht anders aus. Bei Viagogo werden nach wie vor Karten angeboten. Michael Plum fordert deswegen harte Gesetze und Strafen für Betreiber, Anbieter und Käufer. Um den Handel einzudämme­n, ist die Borussia Anfang Oktober mit einem eigenen Ticketzwei­tmarkt online gegangen, an dem der Verein nicht verdienen wolle. „Die Fans müssen sich dann nicht auf teure und eventuell unseriöse Ticketkäuf­e einlassen“, sagt Schippers.

Von Viagogo gab es zu Michael Fallers konkretem Fall keine Stellungna­hme.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany