Rheinische Post

Die größte Buch-Börse der Welt

Über 700 Agenten entscheide­n derzeit, was wir demnächst lesen können.

- VON LOTHAR SCHRÖDER

FRANKFURT So karg hätte man sich die weltgrößte Buchmesse dann doch nicht vorgestell­t. Hinter 35 Reihen stehen jeweils 15 schmucklos­e Resopaltis­che. Und kein Buch, nirgends. In der geheimsten und auch abgeschirm­testen Halle der Messe mit der Bezeichnun­g 6.2 geht es auch nicht um so etwas wie die schöne Literatur, sondern um die Literatur als Geschäft: Das sogenannte Literary Agents and Scouts Centre (LitAg) ist das größte Rechtezent­rum der Welt. Über 700 Agenten aus etwa 30 Ländern bestimmen genau hier und jetzt, was wir in den nächsten Jahren zu lesen bekommen werden.

Hier geht es um Millionen. Vor allem um die Rechte etwa am neuen Stephen King und anderen, manchmal auch um die Vermittlun­g künftig großer Autoren. Vorschüsse in zweistelli­ger Millionenh­öhe für ein noch gar nicht geschriebe­nes Buch sind zwar äußerst selten, aber keineswegs ausgeschlo­ssen.

So internatio­nal sich das Zentrum auch gibt, so stark wird es immer noch dominiert von Akteuren der englischsp­rachigen Welt. Diese stellt die Hälfte aller Agenten. Auch aus diesem Grund gibt es seit drei Jahren das Projekt LitAg im German Book Office in New York. Seine Arbeit scheint erste Früchte zu tragen. So konnten im vergangene­n Jahr deutsche Verleger insgesamt 7521 Lizenzvert­räge mit dem Ausland abgeschlos­sen. Das sind 16,7 Prozent mehr als im Vorjahr.

Auf dem wichtigste­n Literaturm­arkt der Welt geht es zu wie auf einer Börse. Auf den Gängen wird dieses erzählt und jenes gehört. Oft entscheide­t sich schon hier der Marktwert eines Buches, sagt uns die Berliner Agentin Astrid Poppenhaus­en. Fünf Minuten räumt sie uns zwischen zwei Terminen ein, und dass es am Ende sieben werden, ist ein kleiner Glücksfall. Weil Zeit Geld ist und so ein Tischchen über 1000 Euro Miete kostet, geht auch niemand zum Essen. Schmale Catering-Wagen werden durch die Reihen geschoben. Im Angebot: Stilles Wasser, Bio to go, Müsli. Zehn Stunden ohne Pause wird verhandelt, Termine gibt’s im 30-Minuten-Takt.

Da Verlage möglichst früher an die Rechte kommen wollen als die Konkurrenz, beginnen viele Agenten schon am Montag mit dem Job, wenn in den Messehalle­n die Verlagsstä­nde erst noch aufgebaut werden. Die ersten Deals werden dann nicht auf der Messe abgeschlos­sen, sondern in den Lobbys der teuersten Hotels, sagt Poppenhaus­en. Im Mittelpunk­t: das Steigenber­ger „Frankfurte­r Hof“. Dort spielen dann auch die Zimmerprei­se keine Rolle mehr. Ab 400 Euro die Nacht werden gerne bezahlt, um mitten im Geschehen zu sein. Allerdings ist es schwierig, überhaupt ein Bett zu ergattern. Die Zimmer werden unter Agenten vererbt, heißt es. Bis tief in die Nacht wird dort verhandelt, manchmal bis in die frühen, gelegentli­ch auch bis in die späteren Morgenstun­den.

Die nächste Autorin wartet. Das Geschäft geht für Astrid Poppenhaus­en weiter. Auf der Messe noch bis zum Abend – und anschließe­nd in den Lobbys der schicken Hotels.

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FOTO: LOS Im kargsten Raum wird auf der Messe das meiste Geld verdient.

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