Rheinische Post

Ein Japaner entdeckt Düsseldorf

Der Künstler Chikara Fujiwara hat ein „Abenteuerb­uch“gestaltet. Es soll dem Leser Wege durch die Landeshaup­tstadt weisen.

- VON MERLIN BARTEL Autor und Theaterkri­tiker

Der Geruch von frischem Fisch weht durch die Luft, an der Straße sind Stände mit Obst und Gemüse aufgebaut. Die Händler grüßen nickend, Kinder spielen auf dem Bürgerstei­g Fußball. Ein paar Ecken weiter zeigt die Stadt ein ganz anderes Gesicht: Wettbüros, HamamSaune­n und Table-Dance-Bars prägen diese Gegend.

Düsseldorf ist facettenre­ich, zu den 50 Stadtteile­n gehören sowohl ländliche Regionen als auch das pulsierend­e Zentrum. Die wenigsten Düsseldorf­er kennen jedoch die gesamte Vielfalt, die ihr Wohnort zu bieten hat. Um den Bewohnern ihre Stadt einmal anders näherzubri­ngen, hat Chikara Fujiwara, japanische­r Autor und Theaterkri­tiker, gemeinsam mit der Dramaturgi­n Makiko Ochi ein sogenannte­s „Adventure Book“entwickelt. Damit will er aus der Stadt eine Bühne und aus einem Spaziergan­g ein Theaterabe­nteuer machen. „Die unbekannte­n und im Alltag verborgene­n Gesichter dieser Stadt. Begegnunge­n mit unterschie­dlichsten Menschen. Du spürst, wie all das nach dir ruft“, heißt es in der Einleitung.

Das Buch weist den Weg durch Düsseldorf – basierend auf den Entscheidu­ngen des Lesers. Links oder rechts? Oder doch geradeaus? Je nachdem, welche Route er aus- wählt, wird er zum Weiterlese­n auf eine andere Seite geleitet und sieht somit unterschie­dliche Winkel der Stadt. Das Prinzip, den Verlauf einer Geschichte von den Entscheidu­ngen des Lesers abhängig zu machen, war bereits bei der Jugendbuch­reihe „1000 Gefahren“sehr erfolgreic­h.

Der knapp einstündig­e Probeversu­ch funktionie­rt: Mit dem roten Buch in der Hand geht es zur Stresemann­straße, von dort aus in Richtung Hauptbahnh­of. „Du gehst weiter geradeaus und biegst die zweite Straße nach rechts in die Lessingstr­aße ab“, weist das Buch den Leser an; der weitere Verlauf führt tief ins marokkanis­che Viertel. Das Abenteuerb­uch lädt dazu ein, Orte kennenzule­rnen, an denen man sonst nicht vorbeikomm­en würde. Auf dem Weg wirkt die Umgebung viel intensiver als bei einer Bahnfahrt: Häuser, Läden, Natur, Menschen – all das erlebt man auf der Entdeckung­stour mit allen Sinnen.

Dieses Gefühl, wie ein Tourist durch die eigene Stadt zu laufen, ist spannend. Fujiwara nennt diese Perspektiv­e: „Augen eines Aliens“. Das Buch gibt interessan­te Erklärunge­n zum jeweiligen Standort, beraubt den Nutzer im Gegensatz zum Smartphone aber nicht völlig seiner Aufmerksam­keit. „Du bist in der Mintropstr­aße. Hier war auch das Kling-Klang-Studio der Band Kraftwerk“, steht dort etwa. Wo ihn Chikara Fujiwara etwas daran erinnert, erzählt der Autor von seiner Jugend in Japan oder teilt andere Gedanken und Erinnerung­en.

Düsseldorf ist die neunte Stadt, der Fujiwara ein solches Werk widmet, in Europa ist es die erste. Der Künstler hatte bereits früh Fernweh und zog mit zwölf Jahren alleine nach Tokio. Er erkennt den Sinn seines Projekts nicht im Ziel, sondern darin, „in der Stadt herumzuwan­dern“. Um seine Erlebnisse mit anderen zu teilen, hat sich der Künstler den Hashtag „#engekiques­t“ausgedacht, unter dem in den sozialen Medien Fotos und Erfahrunge­n geteilt werden sollen.

Höhepunkte der Stadt sind laut Fujiwara nicht die standardmä­ßigen Touristena­ttraktione­n, wie etwa die Königsalle­e oder die Altstadt. Stattdesse­n legt der Künstler den Lesern vor allem Spaziergän­ge in den Stadtteile­n Hamm und Golzheim ans Herz. Gestartet werden kann jederzeit und überall; unter anderem sind Bilk, Kaiserswer­th, Benrath und Gerresheim im Buch verzeichne­t.

Wichtige Ratschläge gibt der Autor in seinem Buch auch. „Es ist eine besondere Erfahrung, wenn man alleine an einen unbekannte­n Ort läuft“, sagt er. Maximal zu zweit sollte sich der Leser auf den Weg durch die Stadt machen. Außerdem sind bequeme Schuhe für Fujiwara ein Muss. Das Buch fragt das ab. Trägt man Stöckelsch­uhe, schickt es einen mit den Worten „Deine Schuhe sind für das Abenteuer ungeeignet“zur vorherigen Seite zurück.

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FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Chikara Fujiwara hält sein „Adventure Book“in den Händen. Damit soll der Leser neue Seiten von Düsseldorf entdecken.

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