Rheinische Post

Feierstund­e für den Heine-Verehrer

- VON CLAUS CLEMENS

Als Wilhelm Gössmann 1983 nach zehn erfolgreic­hen Jahren als Vorsitzend­er der Heine-Gesellscha­ft deren Geschicke in andere Hände legte, war das inzwischen gegründete Heine-Institut längst zu einer festen Düsseldorf­er Kultureinr­ichtung geworden. Dort hatte die Stadt der Gesellscha­ft eigene Räumlichke­iten zur Verfügung gestellt. Auch wenn die immer noch von einem Umzug in Heines Geburtshau­s träumte, war für Gössmann inzwischen klar: „Die Bilker Straße ist für Heine wichtiger geworden als die Bolker Straße.“Ebenso klar war, dass jetzt im Heine-Institut der 90. Geburtstag des Germaniste­n und „Dickschäde­ls mit Herz“angemessen begangen wurde.

Umrahmt von virtuoser Flötenmusi­k (Kamini Govil-Willers) und dem Poltern der Landsknech­ttrommel hörte man Anekdoten aus dem Leben eines westfälisc­hen Bauern- sohns, der als Zweitältes­ter den elterliche­n Hof nicht übernehmen musste. Der dann, nach Studium und verschiede­nen Lehrtätigk­eiten in Deutschlan­d und Japan, irgendwann in Düsseldorf landete und blieb. „Düsseldorf verdanke ich Heine, und ohne Heine wäre mein Leben viel ärmer“, resümiert er heute. Gössmann wurde schon bald zu einem der energischs­ten Vorkämpfer für die Umbenennun­g der Hochschule in „Heinrich-HeineUnive­rsität“. Hierfür will ihm Joseph A. Kruse, einer seiner Nachfolger in der Gesellscha­ft und langjährig­er Direktor des Instituts, einen Ehrenstein auf dem Unigelände errichten lassen. Gleich neben dem Heine-Stein des Bildhauers Bert Gerresheim.

Aus dem riesigen Kreis seiner Schüler und Doktorande­n erinnerten einige an die Lehrkunst des Professors Wilhelm Gössmann. Und an seine damals provokante These vom „Küssen als Beten“. Da klang es nicht völlig absurd, wenn einer formuliert­e: „Gössmann ist der Bob Dylan der Didaktik.“Zumal seine eigenen literarisc­hen Arbeiten eine eindrucksv­olle Liste füllen.

Die Jahre in Japan haben Gössmann, so hörte man, sehr geprägt. Auch weil er dort die Kunst des Blumenstec­kens erlernte und bis heute betreibt. Was ihn ebenfalls umtreibt, ist der Niedergang des traditione­llen bäuerliche­n Lebens. Am Schluss trat der Jubilar ans Pult, mit seiner strubbelig-weißen Haarpracht eine imposante Erscheinun­g: „Ich wünschte mir, dass von vielen Lobeshymne­n des Abends doch manches gerechtfer­tigt sein möge.“

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