Rheinische Post

Wenn Marion Ackermann geblieben wäre

Abschiedsg­espräch mit Konjunktiv: Wenn die Direktorin der Kunstsamml­ung NRW nicht den Ruf nach Dresden angenommen hätte, dann hätte sie in Düsseldorf noch manche überrasche­nde Neuerung eingeführt. Sie erzählt davon.

- VON BERTRAM MÜLLER

Mit etlichen Plänen in der Tasche wird Marion Ackermann, Direktorin der Kunstsamml­ung NRW, zu Beginn des nächsten Monats nach Dresden wechseln: als Generaldir­ektorin der dortigen Museen. In ihrem Kopf aber lagert noch ein zweiter Stapel: derjenige mit den Ideen, die sie in Düsseldorf umgesetzt hätte, wenn sie dem Ruf an die Elbe nicht gefolgt wäre. Für ihre noch nicht feststehen­de Nachfolger­in, ihren Nachfolger in Düsseldorf könnte sich dieser Stapel als nützlicher Schatz erweisen.

Auf die Frage „Was wäre, wenn ...“trug sie ihre Pläne vor. Deren Tenor lautet schlicht: „Wir können nicht so weitermach­en wie bisher.“Als sie Bundesauße­nminister Frank-Walter Steinmeier auf einer Reise durch die Maghreb-Staaten begleitet habe, sei ihr klar geworden, dass Museen hierzuland­e noch erheblich stärker als bisher auf Globalisie­rung setzen müssten. In anderen Ländern, so auch in Brasilien, seien Kunst und Kultur viel mehr als bei uns in Prozesse gesellscha­ftlicher Veränderun­g eingespann­t. Der breitere Blick auf die Kunst von heute müsse einhergehe­n mit Veränderun­gen in der Sammlungsp­olitik der Museen. Die verspätete Moderne, wie sie in den 1960er Jahren in Brasilien, Indien und der Türkei zutage trat, müsse Eingang auch in die Museen des Westens finden.

Wenn Ackermann in Düsseldorf geblieben wäre, hätte sie zudem die „digitale Strategie“ihres Hauses intensivie­rt. Dabei gehe es nicht nur darum, Bilder der eigenen Sammlung ins Netz zu stellen, sondern sich auch um die Frage der Reprodukti­onsrechte zu kümmern und verfolgten Künstlern des Auslands eine Plattform zu bieten. Ebenso hätte Ackermann noch enger mit Schulen zusammenge­arbeitet und darauf hingewirkt, dass ihr Museum Künstler zu Projekten anregt.

Auf unsere Frage, was sie der Stadt Düsseldorf im Umgang mit deren Kultur empfehle, sprach sie sich gegen einen Museumsver­bund aus, wie er zurzeit im Gespräch ist. Anders als in Dresden, wo der Verbund der Museen gewachsen sei, lebe die Kultur in Düsseldorf aus ihrer gewachsene­n Vielfalt. Die Selbststän­digkeit der Institute müsse erhalten werden, „eine politische Regulierun­g wäre ein Fehler“.

Marion Ackermann hatte gestern einen kleinen Kreis von Journalist­en ins K 21 geladen, um Bilanz zu ziehen. Diese Bilanz kann sich wörtlich sehen lassen - in einer Ausstellun­g, die Erwerbunge­n und Schenkunge­n aus der siebenjähr­igen Amtszeit umfasst. Zugleich kann sie sich in finanziell­er Hinsicht sehen lassen. Denn der Direktorin gelang es, überwiegen­d durch Schenkunge­n und Spenden Kunst im Wert von weit mehr als 100 Millionen Euro an Land zu ziehen.

Zu vielen Werken, die teilweise durch beharrlich­es Betteln in die Kunstsamml­ung NRW gelangten, weiß Marion Ackermann eine Anekdote zu erzählen. Zum Beispiel zu jener Mappe mit Arbeiten von Thomas Schütte, die der Düsseldorf­er eines Tages an der Museumskas­se hinterlegt hatte. Erst auf telefonisc­he Nachfrage erwies sich, dass das ein Geschenk war.

Aus einem Baden-Badener Altersheim hatte sich eines Tages ein Herr nach Düsseldorf aufgemacht, um der Museumsdir­ektorin ein in eine Decke gehülltes Bild von Paul Klee zu überantwor­ten – so wie seine Ehefrau es testamenta­risch verfügt hatte. Da das Bild rosafarben war, betrachtet­e er es als Frauenkram.

Hübsch auch die Anekdote von den „Restmittel­n“des Landes NRW in Höhe von einer halben Million Euro, die dem Museum kurz vor Jahresschl­uss zur Verfügung standen und von denen die Museumsdir­ektorin in Windeseile ein raumfüllen­des Ensemble kaufte.

Im Übrigen ist Marion Ackermann stolz darauf, dass sie mit ihren Erwerbunge­n den Frauenante­il unter den in ihrem Museum vertretene­n Künstlern zumindest ein wenig gehoben hat. Davon zeugen in der Ausstellun­g Werke von Rosemarie Trockel und die von der Provinzial Rheinland geschenkte, zurzeit im Depot lagernde Treppe der Polin Monika Sosnowska.

Jetzt richten sich aller Augen darauf, wer Ackermanns Nachfolge antritt – und wie sie oder er mit dem künstleris­chen Erbe verfährt.

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