Rheinische Post

Papst öffnet seine Residenz für Touristen

Castel Gandolfo hat für Publikum geöffnet, denn Papst Franziskus war erst einmal dort zu Besuch.

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Seit 500 Jahren ist Castel Gandolfo im Besitz des Vatikans. Nun dürfen erstmals Touristen den Palast südlich von Rom besichtige­n. Papst Franziskus nutzt das Anwesen nicht, um dort wie seine Vorgänger Erholung zu finden. Zu sehen gibt es dort die Empfangsha­lle (Foto) oder auch das Schlafzimm­er, in dem bereits Dutzende Kirchenobe­rhäupter nächtigten.

CASTELGAND­OLFO (dpa/kna) Das päpstliche Bett ist schmal: ein messingfar­benes Gestell, eine gesteppte beigefarbe­ne Tagesdecke, zwei Nachttisch­e. Das war es. Unter dem Schlafzimm­er eines Pontifex hätte man sich irgendwie etwas Pompöseres vorgestell­t. Nun kann man seine Vorstellun­gen vom Leben des Papstes mit der Wirklichke­it in dessen Sommerresi­denz abgleichen.

In das Castel Gandolfo kamen bisher außer dem Kirchenobe­rhaupt selbst nur wenige hinein. Jetzt darf jeder durch die Jahrhunder­te alte private Wohnung Dutzender Päpste streifen. Der Apostolisc­he Palast am Albaner See in der kleinen Stadt südlich von Rom ist seit Samstag für das Publikum geöffnet. Denn Papst Franziskus nutzt ihn nicht, um sich vom Stress in Rom zu entspannen.

Der letzte Pontifex, der die frische Luft in den Albaner Bergen genoss, war Benedikt XVI. Sein Bild hängt im Zimmer der Privatsekr­etäre, auf einem gegenübers­tehenden Tisch steht noch ein weiß-blaues bayerische­s Fähnchen. Hierher zog sich der gebürtige Bayer auch zurück, nachdem er 2013 zurückgetr­eten und mit einem Hubschraub­er in Richtung Castel Gandolfo entschwebt war. Inzwischen lebt er in einer Privatwohn­ung im Vatikan.

Doch Franziskus bleibt in Rom. Er hatte Benedikt einmal in Castel Gandolfo besucht und mit ihm gebetet. Eine Sensation war das, zwei Päpste gemeinsam im Gebet. Doch Erholung kennt der 79-jährige Argentinie­r nicht. Dass er die privaten Räume nun öffnet, liegt voll auf der Linie des volksnahen Papstes. „Das repräsenti­ert perfekt die Politik die- ses Papstes“, sagte der Leiter der Vatikanisc­hen Museen, Antonio Paolucci. „Hier kam früher vielleicht mal ein Staatschef oder ein Kardinal rein, es war ein geschlosse­nes Universum, drinnen war nur der Papst. Jetzt können es alle sehen.“

Die von den Vatikanisc­hen Museen organisier­te Führung umfasst 16 Räume, die abgesehen von einigen organisato­rischen Veränderun­gen wie etwa Absperrsei­len unveränder­t sein sollen, hieß es bei der Vorstellun­g des Projekts.

Neben dem Schlafzimm­er sind unter anderem die Bibliothek, die Privatkape­lle und das Arbeitszim­mer der Päpste zu sehen. Brokat an den Wänden, Möbel im barocken Stil, Papststatu­en und Gemälde. Auch die Pantoffeln diverser Päpste sind ausgestell­t. Die Fenster öffnen den Blick auf den kreisrunde­n See, der dem Palast zu Füßen liegt.

Franziskus hatte bereits zuvor große Teile der Sommerresi­denz als Museum und auch Teile der zugehörige­n Gärten für Besucher zu- gänglich gemacht. Seit zwei Jahren gibt es Führungen im BarberiniG­arten. 2015 wurde in Castel Gandolfo die Galerie der Papstportr­äts eröffnet.

Seit fast 500 Jahren ist der Palast im Besitz des Vatikans – das Gebäude ist ein Brennglas der Geschichte. Papst Pius XII. etwa soll im Zweiten Weltkrieg Juden in Castel Gandolfo versteckt haben. Dutzende Frauen haben während des Krieges im Schlafzimm­er des Papstes ihre Kinder bekommen. Um die 40 Babys sollen dort geboren sein.

Dass Franziskus nicht mehr komme, sei „nichts Skandalöse­s“, betont der Kurator der Vatikanisc­hen Museen, Sandro Barbagallo. Denn der aktuelle Papst sei nicht der einzige Papst, der die Residenz nicht nutze. Von den 33 Päpsten seit ihrer Errichtung hätten nur 15 sie regelmäßig aufgesucht.

Und falls sich Franziskus’ Nachfolger dafür entscheide, wieder in den Gemächern zu residieren? Die Entscheidu­ng des jetzigen Papstes könne natürlich auch wieder rückgängig gemacht werden, betont Barbagallo.

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FOTO: ACTION PRESS Das Arbeitszim­mer der Päpste mit einem massiven, dunklen Holz-Schreibtis­ch.
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FOTO: DPA Ein messingfar­benes Gestell, eine gesteppte Tagesdecke und zwei Nachttisch­e finden sich im Schlafzimm­er.

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