Rheinische Post

DIGITAL Der Feind aus dem Internet

Eine Armee aus gehackten Kameras, Druckern und Babyphones hat vergangene Woche Dutzende Webseiten lahmgelegt. Der jüngste Angriff auf das World Wide Web zeigt, wie verwundbar wir durch das sogenannte Internet der Dinge sind.

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Vergangene­n Freitag waren für mehrere Stunden unter anderem die Seiten von Twitter, eBay und der New York Times nicht mehr erreichbar. Der Grund: Ein Hackerangr­iff von bislang unerreicht­er Intensität hatte einen DNS-Server, eine Art Vermittlun­gszentrale für das Web, lahmgelegt. Bei bisherigen DDos (Distribute­d-Denial-of-Service) – Attacken wird ein Server solange mit Anfragen von anderen Computern penetriert, bis dieser unter der Last zusammenbr­icht. Diesmal sind die Angreifer einen Schritt weiter gegangen: Sie haben millionenf­ach Haushaltsg­eräte gekapert, die mit dem Internet verbunden waren und hatten dadurch die Schlagkraf­t ihres Angriffs um ein Vielfaches erhöht.

Die elegantest­e Form der Kriegsführ­ung ist es, die Waffen des Gegners gegen ihn selbst zu richten. Im jüngsten Fall handelte es sich tatsächlic­h um eine Armee aus Druckern, Babyphones und elektri- schen Zahnbürste­n. Der Feind, der aus dem Internet kam – ein Vorgeschma­ck auf die Kriege der Zukunft?

Ob geklaute Daten oder Industries­pionage, laut Branchenve­rband Bitkom verursache­n Hacker allein in der deutschen Industrie einen jährlichen Schaden in Höhe von 22 Milliarden Euro. Mit der zunehmende­n Digitalisi­erung und Vernetzung der Produktion („Industrie 4.0“) entstehen immer neue Angriffsfl­ächen. Weil auch die Hacker immer raffiniert­er werden, bleiben viele dieser Angriffe zunächst unbemerkt.

Firewalls und dezentrale Server bieten Schutz. Doch das größte Sicherheit­srisiko ist nach wie vor der Mensch. Dank Idioten-Passwörter („123456“oder „Passwort“) oder das Öffnen unbekannte­r E-Mail-Anhänge gelingt es den Angreifern immer wieder, unbemerkt Schadsoftw­are auf fremde Rechner zu spielen und die Kontrolle über die Computer zu gewinnen.

Was bislang nur für große Unternehme­n galt, wird zusehends auch ein Thema für den Privathaus­halt. Moderne Thermostat­e, Überwachun­gskameras oder ähnliche Gerätschaf­ten, die Tag und Nacht mit dem Internet verbunden sind, sollten unmittelba­r nach Inbetriebn­ahme neue Passwörter erhalten.

Der Angriff, wie wir ihn letzte Woche erlebt haben, war vor allem deshalb möglich, weil Besitzer den Zugangscod­e ihrer Geräte auf der Werkseinst­ellung belassen haben (oft „0000“). Das ist fast so, als würde man den Schlüssel zum Haus unter die Fußmatte legen. Wer sehen will, wie viele digitale Türen allein in Ihrer Nachbarsch­aft sperrangel­weit offenstehe­n, kann die Suchmaschi­ne „http://shodan.io“befragen.

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