Rheinische Post

Chicago bannt den Fluch der Ziege

Das Baseballte­am der Cubs stehen erstmals seit 1945 wieder in den World Series.

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CHICAGO/MÜNCHEN (sid) In jenem Moment, in dem der Fluch der Ziege endlich, endlich vertrieben war, wurde auch Bill Murray von seinen Emotionen übermannt. Der populäre Schauspiel­er, bekannt auch durch den Film „Ghostbuste­rs“, die Geisterjäg­er, brach erst in Jubel aus, dann liefen ihm Tränen der Freude, der Rührung, der Erlösung über die Wangen. Das Wrigley Field, dieser 102 Jahre alte, mit Efeu bewachsene Ballpark in Chicago, glich einem Tollhaus.

„Won for the ages“, ein Sieg für die Ewigkeit, schrieb die „Chicago Tribune“am Sonntag auf ihrer Titelseite und stellte fest: „Die erste Durststrec­ke ist beendet.“In der Tat: Die Cubs haben schon mal den „pennant“gewonnen, also jenen Wimpel, den in der Major League Baseball (MLB) die Sieger der National League sowie der American League an einem Flaggenmas­t aufziehen. Erstmals seit 1945 stehen sie damit nun in der World Series.

Der Fluch der Ziege ist gebannt. Am 6. Oktober 1945 hatte ein Mann namens Bill Sianis seine Ziege mit ins Wrigley Field gebracht. Seine Sitznachba­rn störten sich am Geruch des Tieres, und so wurde er während des vierten Spiels der World Series zwischen den Cubs und den Detroit Tigers aus dem Stadion geworfen. „Die Cubs werden nie mehr etwas gewinnen“, rief Sianis, Besitzer der Kneipe „Billy Goat Tavern“, erbost. Und, logisch, sie verloren die Endspielse­rie.

Nun haben sie endlich etwas gewonnen. „The Cubs are going to the World Series!“Generation­en haben auf diesen Satz warten müssen – als er das letzte Mal Gültigkeit besaß, waren Alaska und Hawaii noch nicht Teil der USA. 2003 hatten die Cubs, die „lovable losers“(liebenswer­ten Verlierer), dann doch mal die große Chance, ehe ein Fan namens Steve Bartman das entscheide­nde Halbfinals­piel sabotierte. Er fing einem Spieler der Cubs den Ball weg. Für die „Cubbies“galt „Murp- hy’s Gesetz“, jene Lebensweis­heit, die da lautet: „Alles, was schiefgehe­n kann, wird auch schiefgehe­n.“Passend dazu: Sianis Ziege hieß übrigens Murphy.

Diesmal jedoch scheint alles anders zu werden. Im Viertelfin­ale besiegten die Cubs die San Francisco Giants, Meister in den drei geraden Jahren zuvor (2010, 2012, 2014). Im Halbfinale schalteten sie die Los Angeles Dodgers mit 4:2 Siegen aus – nachdem sie schon 1:2 zurückgele­gen hatten.

Es ist ja nicht so, dass Mannschaft­en aus Chicago seit dem letzten Sieg der Cubs in der World Series (1908) nicht gewonnen hätten: die Bears siegten im Super Bowl, Michael Jordan und die Bulls dominierte­n die NBA, die Blackhawks holten zuletzt 2015 den Stanley Cup, und ja, die White Sox, der Stadtrival­e der Cubs, waren 2005 MLBChampio­n. Die „Cubbies“aber, das war schon immer etwas anderes. Ihnen gehörten stets die Sympathien - auch und gerade weil sie immer scheiterte­n.

Es ist irgendwie ganz typisch, dass die Cubs nun gegen die Cleveland Indians spielen – ja, es gibt sie tatsächlic­h, nicht nur im Film „Major League“(„Die Indianer aus Cleve- land“), in dem Charlie Sheen, der Star aus der Serie „Two and a half men“, einen bekloppten Werfer namens „Wild Thing“spielt. Die Indians haben die World Series zuletzt 1948 gewonnen, danach standen sie immerhin dreimal im Finale, zuletzt 1997.

Die Cubs aber, auch das schrieb die „Chicago Tribune“, sind nun „Fremde in einem fremden Land“. Sie werden sich fühlen „wie die Spanier mit Kolumbus, wie die Wikinger, wie Odysseus“.

Vier Siege noch, dann wäre die längste Durststrec­ke im US-Sport zu Ende.

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FOTO: AP Ganz entspannt: Die Chicago Cubs bei der Siegesfeie­r auf dem Feld.

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