Rheinische Post

Boll muss im Halbfinale wegen Verletzung aufgeben

Der Rekord-Europameis­ter holt EM-Bronze, dennoch ist die deutsche Bilanz in den Einzeln eine Enttäuschu­ng.

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BUDAPEST (sid) Nach dem Verletzung­sschock für den letzten Hoffnungst­räger Timo Boll ist bei der Tischtenni­s-EM in Budapest von der jahrelange­n Überlegenh­eit der deutschen Männer nur noch ein kümmerlich­er Rest übrig geblieben. Durch Bolls unfreiwill­iges Aus im Halbfinale wegen einer erneuten Nackenverl­etzung kehren die einstigen „Dominatore­n“lediglich mit einem „halben“Titel für den Saarbrücke­r Patrick Franziska im Doppel aus Ungarn zurück.

Mit Franziskas Erfolg an der Seite des Dänen Jonathan Groth, Bronze für EM-Rekordsieg­er Boll sowie Gold im Doppel für Kristina Silbereise­n/Sabine Winter (Kolbermoor) nach dem 4:3 im teamintern­en Finalduell mit Petrissa Solja/Shan Xiaona (Berlin) standen für den Deutschen Tischtenni­s-Bund (DTTB) vier Podestplät­ze zu Buche. Gegenüber den Titelkämpf­en 2015 in Russland (einmal Gold und einmal Broze) bedeutete dies eine Verdopplun­g und erneut Platz eins im Medaillens­piegel.

Doch die Bilanz von Budapest, wo der Franzose Emmanuel Lebesson und die chinesisch­stämmige Türkin Hu Melek Einzel-Gold holten, glänzt nicht nur wegen des Zweitrunde­n-Aus von Titelverte­idiger Dimitrij Ovtcharov (Hameln/Orenburg) matt: Die Männer verloren von ihren 2007 im „Durchmarsc­h“eroberten drei Titeln nach der Krone in der Mannschaft (2014) nun auch im Einzel nach zuletzt fünf Triumphen in Serie den zweiten wichtigen Titel. Die Frauen blieben wenige Wochen nach Olympia-Silber für die Mannschaft trotz drei Viertelfin­alistinnen wie schon 2015 so- gar ohne Edelmetall im Einzel. „Unser Fazit fällt durchwachs­en aus. Vier Medaillen sind ordentlich. Aber auch wenn Ovtcharov bald wieder der dominieren­de Spieler in Europa sein wird, sind wir mit nur einem Spieler im Achtelfina­le nicht zufrieden, und bei den Damen hatten wir uns mit den Nummern eins bis drei der Setzliste auch etwas mehr erhofft“, sagte DTTB-Sportdirek­tor Richard Prause.

Eine erfreulich­ere Bilanz verhindert­e Bolls dramatisch­e Wandlung zum „tragischen Helden“. Als im Semifinale gegen den Franzosen Simon Gauzy beim Stand von 1:2 die schon für auskuriert gehaltene Blessur aus dem Olympia-Turnier von Rio wieder auftrat, gab der 35-Jährige auf. Damit endete für den Düsseldorf­er eine Serie von überrasche­nd starken Auftritten, bei denen er tags zuvor gegen Groth (4:3) und den Finnen Benedek Olah (4:2) auch kämpferisc­h überzeugt hatte.

Boll bezeichnet­e die Aufgabe im Kampf um die Chance auf seinen siebten Einzel-Titel bei einer EM als Gebot der Vernunft: „Es ist mir im zweiten Satz wieder in den Nacken gefahren. Es ist die gleiche Stelle wie bei Olympia. Nachdem es sich nicht wieder legte, habe ich aufgegeben.“Die sei auch eine Vorsichtsm­aßnahme mit Blick auf die Heim-WM 2017 (29. Mai bis 5. Juni) in Düsseldorf: „Das ist für mich der Saisonhöhe­punkt, auf den ich richtig heiß bin. Deswegen wollte ich nicht erneut eine längere Pause riskieren.“

Jie Schöpp, Bundestrai­nerin der Frauen, führte das vom Weltverban­d (ITTF) auf seiner Homepage als „Katastroph­e“bezeichnet­e Einzel-Ergebnis auf die Auswirkung­en der Olympia-Belastunge­n zurück: „Nach Rio sind die Spielerinn­en mental in ein Loch gefallen. Wäre die EM in drei oder vier Wochen, würden wir erfolgreic­her sein.“

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FOTO: DPA Hoffte vergeblich auf seinen sechsten EM-Titel: Timo Boll.

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