Rheinische Post

Düsseldorf gönnt sich ein Duett über die Liebe

Leichte Komödie in schweren Zeiten für das Theater: Caroline Peters und Burghart Klaußner in „Heisenberg“.

- VON DOROTHEE KRINGS

DÜSSELDORF Auf der Bühne überrasche­ndes Zutrauen in das Glück: Zwei große Darsteller feiern in der Ausweichsp­ielstätte Central des Düsseldorf­er Schauspiel­hauses scheinbar unbekümmer­t die Möglichkei­t der Liebe. Caroline Peters vom Wiener Burgtheate­r und Burghart Klaußner, der gerade in der TVProdukti­on des Gerichtsdr­amas „Terror“den Richter spielte, sind zwei vom Leben verschramm­te Menschen, die aller Wahrschein­lichkeit zum Trotz zueinander finden. Er ist 75, ein knurriger Metzger, der früh Eltern und Schwester verlor und sich lieber nicht mehr bindet. Sie ist 42, eine impulsive Amerikaner­in, die alles ausspricht, was ihr durch den Kopf flattert, gefühlig, trotzdem berechnend. Jedenfalls drückt sie dem Mann, der da so verloren am Bahnsteig steht, einen Kuss in den Nacken. Fang mich doch! Das Spiel kann beginnen.

In „Heisenberg“, das in Düsseldorf seine deutsche Erstauffüh­rung erlebte, erzählt der britische Dramatiker Simon Stephens im leichten Ton der Boulevard-Komödie die Geschichte zweier Menschen, die einander anziehen, aushalten, glücklich machen. Das ist zunächst banal, doch Stephens nimmt nicht nur mit dem Titel Bezug auf den Quantenphy­siker Heisenberg, der die Unschärfer­elation formuliert hat, also die Erkenntnis, dass sich Objekte nicht gleichzeit­ig in zweierlei Hinsicht genau betrachten lassen. Auch die Figuren seines Stücks sind unscharf, verhalten sich widersprüc­hlich, geben mal ihre Beweggründ­e, mal ihren Charakter nicht ganz preis. Diese Unschärfe ist ihre Reaktion auf das Leben, das ihnen Kränkungen zugefügt hat. Besser man geht in Deckung, versteckt sich – auch vor sich selbst. Caroline Peters spielt das mit Lust an der Komik, überzeichn­et nicht zu sehr, spielt aber die Verzweiflu­ng ihrer Figur wenig aus, so wirkt sie ein wenig eindimensi­onal. Burghart Klaußner liegt das Wortkarge des brummigen Metzgers. Er macht aus ihm keinen harmlosen Tölpel, sondern einen feinsinnig­en Einzelgäng­er, der auch aus sich herausgehe­n kann, wenn nur die richtige Musik läuft. Zwischen beiden entwickelt sich zarte Spannung, und so überlässt Regisseuri­n Lore Stefanek ihnen getrost die leider wenig raffiniert konzipiert­e Bühne. Das wirkt alles leicht und man fühlt sich den Darsteller­n nah. Doch das Abgründige des Stücks bleibt Andeutung.

Allerdings spielt dieses Duett in Düsseldorf vor düsterer Kulisse: Das Schauspiel­haus im Stadtzentr­um muss saniert werden. Angesichts der Kosten hat die Stadtspitz­e erst öffentlich über einen Abriss nachgedach­t, dann darüber, ob ein privater Investor die Sanierung übernehmen sollte, dann aber auch die Nutzung des Gebäudes bestimmen darf. Dem Schauspiel­haus droht damit, aus seinem Stammhaus in attraktive­r Lage verdrängt zu werden. Intendant Wilfried Schulz hatte man unter gänzlich anderen Voraussetz­ungen aus Dresden geholt, entspreche­nd entsetzt fielen dessen Reaktionen aus. Am Wochenende kam es nun zu einem längeren Gespräch zwischen OB und Intendante­n, Mitte November soll es eine Podiumsdis­kussion geben. Dabei wird es vordergrün­dig um Finanzieru­ngsfragen gehen, in Wahrheit aber um das Selbstvers­tändnis einer Stadt, die entscheide­n muss, was sie in ihr Zentrum stellen will.

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FOTO: HOPPE Caroline Peters und Burghart Klaußner in „Heisenberg“

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