Die Fifa stockt die WM 2026 auf 48 Teams auf. Die Kritik aus Deutschland ist groß.
Künftig werden 48 statt 32 Mannschaften den Fußball-Weltmeister ausspielen. Das hat die Fifa gestern beschlossen.
ZÜRICH/DÜSSELDORF Es war übersichtlich 1930 in Uruguay. 13 Nationen stritten zum ersten Mal um den Titel Fußball-Weltmeister. Und nach gerade mal 18 Spielen feierte das Austragungsland seinen Erfolg. Die Zeit der beschaulichen Turniere ist aber längst vorbei. Nun wird das Teilnehmerfeld zum vierten Mal vergrößert. Gestern beschloss der Fußball-Weltverband Fifa die Aufstockung der WM um 16 Nationen auf insgesamt 48. Somit werden es statt wie momentan 64 Spiele 80 sein, ehe der Weltmeister 2026 gekürt wird. Triebfeder dieser Entscheidung ist der neue Fifa-Präsident Gianni Infantino. Aus Deutschland hagelt es Kritik.
Das Fifa-Council, im Zuge der jüngsten internen Reformen als maßgebliches Entscheidungsgremium neben dem jährlich stattfindenden Fifa-Kongress gegründet, beschloss die Aufstockung bei seiner Sitzung in Zürich einstimmig. Das Council besteht derzeit aus 33 Mitgliedern aus den sechs Kontinentalverbänden. Darunter sind Vertreter aus Nationen wie Burundi, Samoa oder den Cook-Inseln. Aber auch England, Spanien, Italien und Brasilien stimmten für die WM-Aufstockung. Jedes Mitglied im Council besitzt dabei eine Stimme.
Ein Vertreter des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) saß nach der Ethiksperre und dem darauf folgenden Rücktritt von Ex-DFB-Chef Wolfgang Niersbach gestern nicht mit am Tisch. Reinhard Grindel rückt erst im Frühjahr nach. „Ich bin nicht glücklich mit dieser Entscheidung und hätte mir vor allem gewünscht, dass alle wichtigen Fragen zu Organisation und Modus komplett geklärt sind“, sagte der DFBPräsident. „Meine große Sorge ist, dass sich der Fußball an sich verändert, dass die Attraktivität des Spiels leidet.“
Diese Sorge teilten gestern nahezu alle Vertreter deutscher Fußballvereine. Ex-Bundestrainer Berti Vogts war gar „sehr, sehr erschrocken“. Die Entscheidung sei „furchtbar“, sagte er: „Wenn man die WM zugrunde richten will, muss man diesen Weg weitergehen. Das ist nicht mehr meine WM. Was soll das bloß? Es ist ganz schlimm.“
Infantino konterte gestern die deutsche Kritik seinerseits mit einer Spitze. „Auch wenn wir eine Weltmeisterschaft mit nur zwei Mannschaften organisieren würden, wäre Deutschland immer noch eine davon. Es ist ein Traum, wenn man sich immer qualifiziert, egal, wie der Modus ist. 16 Länder, die jedoch bislang keine Chance hatten, sich zu qualifizieren, werden diese nun haben“, sagte er. Infantino hatte beim Stimmenfang im Vorfeld seiner Wahl zum Fifa-Präsidenten im Februar 2016 den vermeintlich Kleineren unter den 211 Fußball-Nationen zugesagt, die WM zu vergrößern. Zunächst waren 40 Teams im Gespräch, nun sind es noch einmal acht mehr geworden. „Es gibt nichts Besseres, um den Fußball in einem Land voranzubringen, als eine Teilnahme des Landes an der WM“, hatte Infantino dann auch im Dezember auf einer Konferenz in Dubai gesagt. Und die Fifa will den Fußball eben weiter voranbringen. Nicht vordergründig aus Nächstenliebe, natürlich, sondern um neue Geschäftsfelder zu erschließen.
Große Auswirkungen wird die Fifa durch die neue WM dann auch vor allem auf dem Konto spüren. Vor drei Jahren in Brasilien lagen die WM-Einnahmen des Weltverbandes bei 3,3 Milliarden Euro, für das Turnier 2018 in Russland sollen sie bei geschätzten 5,2 Milliarden Euro liegen. Die WM 2026 mit dann erstmals 48 Teams soll noch mal einen Sprung auf 6,1 Milliarden erzielen. Der Gewinn für die Fifa soll Schätzungen zufolge dann mehr als 2,2 Milliarden Euro betragen. Bei der WM 2014 waren es noch 1,6 Milliarden. Dennoch: Ein Votum für eine WM-Aufstockung solle nicht nur finanziell motiviert sein, hatte Infantino im Dezember betont.
In den nächsten Monaten wird es nun vor allem darum gehen, welcher Kontinentalverband wie viele Plätze zugesprochen bekommt. Der bisherige Verteilerschlüssel lautet: Europa ist mit 13 Nationen vertreten, Afrika mit fünf, Südamerika und Asien erhalten je 4,5 Plätze, Nord- und Mittelamerika sowie die Karibik je 3,5 und Ozeanien 0,5. Das Ausrichterland nimmt zudem immer teil. Die Uefa wird auf mindestens zwei bis drei WM-Startern mehr als bisher (13, 2018 plus Gastgeber Russland) bestehen, heißt es.
Infantino hatte vor allem den wachsenden Absatzmärkten Afrika und Asien mehr Startplätze zugesagt. „Ich habe schon auch versucht, darauf aufmerksam zu machen, dass wir uns sehr stark auf die Frage der Teilnehmerplätze konzentrieren müssen“, sagte Grindel. „Das ist für die Nationen in der Uefa wichtig. Dass, wenn andere eine Chance haben, ihren Fußball in Afrika und Asien zu entwickeln, das auch für die Nationen und Verbände der Uefa gelten muss.“Es gehe um eine „deutliche Position“der Uefa im Fifa-Council.
Auch beim Modus der neuen WM sind noch Fragen offen. Fest steht bisher lediglich, dass die 48 Teams auf 16 Dreiergruppen aufgeteilt werden. Denkbar ist, dass Gruppenspiele bei Gleichstand künftig im Elfmeterschießen entschieden werden, um Taktierereien zu vermeiden. Dies dürfte eine Lehre aus der letztjährigen Europameisterschaft sein, die in Frankreich erstmals mit 24 statt 16 Teams ausgetragen wurde. Ein komplexer Vorrunden-Modus sorgte für defensiv geprägte Spiele. Europameister Portugal überstand die Vorrunde mit drei Unentschieden.
Der neue Modus sieht eine zusätzliche, bereits aus der Europa League bekannte K.o.-Runde der letzten 32 Mannschaften („Sechzehntelfinale“) vor. Nur die jeweiligen Dritten der Vorrunde scheiden somit aus, nach der Zwischenrunde geht es wie gehabt mit dem Achtelfinale weiter. Die WM soll trotz Aufstockung wie bisher in 32 Tagen über die Bühne gehen. Es bleibt bei maximal sieben Partien pro Team. So sehr kam das Council dann doch den über den jetzt schon engen Terminkalender stöhnenden europäischen Verbänden entgegen.
Wie die vorgeschaltete Qualifikation künftig aussehen wird, ist unklar. Ob es gesetzte Teams für die Endrunde geben wird, demnach auch. Viele Details sollen ohnehin erst 2023 besprochen werden. Wichtig war aus Fifa-Sicht vor allem, jetzt erstmal das Gesamtkonstrukt 48er-WM beschlossen zu haben. Infantino nahm die erwartbare Kritik allerorten dann auch gelassen. „Wenn wir Entscheidungen treffen, werden wir kritisiert, wenn wir keine Entscheidungen treffen, werden wir auch kritisiert“, sagte er.