Rheinische Post

Deutschlan­ds Internet lahmt

Deutschlan­d müsse die Online-Netze besser ausbauen. Dies mahnte die Industriel­änderorgan­isation OECD an. Zugleich werden die steigenden Forschungs­ausgaben gelobt.

- VON JAN DREBES UND REINHARD KOWALEWSKY

BERLIN/DÜSSELDORF Viel Licht, aber auch viel Schatten: So sieht die Fähigkeit Deutschlan­ds aus, neue Technologi­en zu entwickeln. Dies ist das Ergebnis von zwei gestern in Berlin vorgestell­ten Studien. Laut der Organisati­on für Wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g (OECD) ist Deutschlan­d mit den USA und Japan eines der fünf Länder, die am meisten für das Erforschen neuer Ideen ausgeben. 2015 lagen die Ausgaben für Forschung und Entwicklun­g erstmals bei drei Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­es.

Für die Jahre 2016 und 2017 sei mit um bis zu vier Prozent steigenden Innovation­sausgaben zu rechnen, heißt es in der Erhebung des Zentrums für Europäisch­e Wirtschaft­sforschung (ZEW). Demnach zahlen sich Innovation­sanstrengu­ngen für Firmen aus. So stieg der mit neuen Produkten erzielte Umsatz 2015 um acht Prozent auf 710 Milliarden Euro. Als ein Vorzeigeun­ternehmen für Innovation­en gilt Henkel. Der Düsseldorf­er Konzern macht 45 Prozent seines Privatkund­en-Umsatzes mit Markenprod­ukten, die erst seit drei Jahren im Verkauf sind.

Als Schwachste­llen benennen die Experten, dass deutsche Netzwerkbe­treiber wie die Telekom und andere ihre Internetne­tze deutlich langsamer ausgebaut haben als solche anderer Industries­taaten wie Korea, Schweiz oder Frankreich. Zudem konzentrie­ren sich die Forschungs­ausgaben vor allem auf große Unternehme­n.

So sei Deutschlan­d auffällig „ungleich“mit schnellem Internet versorgt, meint die OECD. Die Gebiete mit Unterverso­rgung auf dem Land seien zu zahlreich. „Wir brauchen eine flächendec­kende Glasfasers­trategie“, sagte auch der Düsseldorf­er Bundestags­abgeordnet­e Thomas Jarzombek, der netzpoliti­sche Sprecher der Unionsfrak­tion. Damit künftige Mobilfunkn­etze autonom fahrende Autos jederzeit im Bruchteil einer Sekunde vor Gefahren warnen könnten, müsse es über Glasfaser angeschlos­sene Funkstatio­nen an jeder Straßenlat­erne geben. Dieser Forderung schließt sich auch Hannes Ametsreite­r, Vorsit- zender der Geschäftsf­ührung von Vodafone Deutschlan­d, an: „Neue digitale Geschäftsm­odelle entstehen nur mit der besten Infrastruk­tur. Darum brauchen wir im ganzen Land Gigabit-Netze, die auf Glasfaser aufbauen.“

Für Innovation­en gaben die Unternehme­n in Deutschlan­d 2015 insgesamt 157 Milliarden Euro aus. Allerdings steigerten nur die großen Firmen mit mehr als 500 Mitarbei- tern ihre Budgets für neue Ideen um 60 Prozent in den vergangene­n zehn Jahren. Kleinere Unternehme­n stagnieren dagegen bei ihren Innovation­sausgaben. „Die Basis des forschende­n Mittelstan­ds muss wieder breiter werden“, sagte Forschungs­staatssekr­etär Georg Schütte (CDU). Auch NRW-Wirtschaft­sminister Garrelt Duin (SPD) sieht eine Innovation­sschwäche bei den kleineren Firmen. Darum will er sie mit „Digitalhub­s“unterstütz­en, über die auch kleine Unternehme­n Zugang zu Online-Innovation­en erhalten.

An einem wichtigen Punkt ist die Studie für NRW alarmieren­d: Bei einem Vergleich der Forschungs­ausgaben nach Branchen liegt die eher in Süddeutsch­land und Wolfsburg dominieren­de Autoindust­rie mit 40 Milliarden Euro 2016 weit vorne. Danach folgt die Elektroind­ustrie (Siemens) mit 16 Milliarden Euro, erst auf Platz drei steht die in NRW sehr starke Chemie- und Pharmabran­che mit 13 Milliarden Euro. Tobias Hentze vom Institut der Deutschen Wirtschaft erklärte dazu: „NRW muss mehr Gas geben als andere Länder, um mitzuhalte­n.“Leitartike­l

Es sind viele Finger, die im Fall des Lkw-Attentäter­s Anis Amri zurzeit auf NordrheinW­estfalen und seine rot-grüne Landesregi­erung zeigen. Hier lebte er wochenlang unter verschiede­nen Alias-Namen, hier beantragte er mehrfach Sozialleis­tungen, und die Ausländerb­ehörde Kleve ist es, die für den abgelehnte­n Asylbewerb­er zuständig war. Genug Munition also für die Opposition im Landtag, Rot-Grün das Leben im Wahlkampf schwerzuma­chen. Ministerpr­äsidentin Hannelore Kraft (SPD) muss daher daran gelegen sein, das Thema so schnell wie möglich unter Kontrolle zu bringen. Nun will sie externe Gutachter beauftrage­n lassen, die den Fall Amri untersuche­n sollen.

Das hat für Kraft einige Vorteile: Wenn die Ministerpr­äsidentin nach Versäumnis­sen in NRW gefragt wird, kann sie von jetzt an darauf verweisen, dass ein Gutachten in Arbeit ist. Sollten sich überdies alle fünf Landtagsfr­aktionen an der Untersuchu­ng beteiligen, hat sie auch noch die Opposition mit im Boot. Und ob die Ergebnisse des Gutachtens bis zur NRW-Wahl im Mai vorliegen, ist ungewiss. Eine solche Untersuchu­ng dient also vor allem der Landesregi­erung, nicht aber der transparen­ten Aufklärung des Falles Anis Amri. BERICHT

Newspapers in German

Newspapers from Germany