Rheinische Post

Sonntagsve­rkauf in der Kritik

Acht Termine soll es 2017 in Düsseldorf geben. Der Handel freut sich auf ein Umsatzplus, doch es ist zweifelhaf­t, ob es das wirklich gibt.

- VON HELENE PAWLITZKI UND JÖRG JANSSEN

Acht Termine soll es 2017 in Düsseldorf geben. Der Handel freut sich auf ein Umsatzplus, Kirchen sind dagegen.

Messen, Stadtfeste und der Weihnachts­markt – das sind die Anlässe, zu denen in Düsseldorf 2017 am Sonntag geshoppt werden soll. So jedenfalls die Empfehlung des Ordnungs- und Verkehrsau­sschusses, die der Stadtrat im Februar voraussich­tlich bestätigen wird. Wer die Menschen in der Düsseldorf­er Innenstadt nach ihrer Meinung zum Sonntags-Shopping fragt, stößt auf ein gemischtes Stimmungsb­ild: Die einen finden’s super, die anderen verbringen den Sonntag lieber mit der Familie. Und dann gibt es noch die Menschen, die selbst im Einzelhand­el arbeiten. „Klar, ich arbeite nicht gern am Sonntag“, hört man von denen. „Aber ehrlich gesagt: Ich glaube auch gar nicht, dass sich das umsatzmäßi­g für meinen Arbeitgebe­r lohnt.“

Das sieht auch Claudia Platten so. Die 53-jährige Düsseldorf­erin arbeitet seit 36 Jahren im Einzelhand­el – wo genau, möchte sie mit Rücksicht auf ihren Arbeitgebe­r nicht sagen. Sie selbst musste sonntags noch nie ran. Aber sie glaubt auch nicht, dass sich das für irgendwen lohnen würde. Am Sonntag kämen zwar viele, schlendern und stöbern – aber gekauft werde wenig. Platten macht das an den längeren Öffnungsze­iten abends fest: „Nach 20 Uhr kaufen die Leute doch nicht mehr groß ein – auch, wenn sie könnten.“

Dass Verdi-Bezirksges­chäftsführ­er Uwe Foullong das genau so sieht, ist wenig überrasche­nd. Er glaubt nicht an das Argument mancher Händler, verkaufsof­fene Sonntage seien unverzicht­bar für den Umsatz. „Das ist Unsinn“, sagt er. „Umsätze steigen, wenn die Löhne steigen. Wenn Geschäfte sonntags auf haben, geben die Leute trotzdem keinen Euro zusätzlich aus.“Das könne man mit Zahlen des Bundesamts für Statistik belegen.

Wie viel Umsatz Düsseldorf­er Einzelhänd­ler an Sonntagen tatsächlic­h machen, kann der Handelsver­band Nordrhein-Westfalen nicht sagen. Aber darauf komme es auch nicht an, sagt Geschäftsf­ührer Rainer Gallus. „Es geht darum, sich neuen Kunden zu zeigen, die im Stadtteil unterwegs sind, wenn dort beispielsw­eise ein Straßenfes­t stattfinde­t.“Der verkaufsof­fene Sonntag als Werbemaßna­hme also. „Insofern ist die Beobachtun­g mancher Arbeitnehm­er nicht ganz verkehrt“, gibt er zu.

Claudia Platten geht allerdings noch weiter: Sie glaubt nicht an den Vorteil für die Händler, sondern an einen Nachteil für die Kunden. „Vor 20 Jahren standen 15 Verkäuferi­n- nen von 8 bis 18 Uhr im Laden. Heute stehen die gleichen 15 Verkäuferi­nnen von 6 bis 22 Uhr da.“Resultat: Die Kunden würden viel länger auf Bedienung warten. „Wenn jetzt öfter sonntags geöffnet ist, stellt doch keiner mehr Verkäuferi­nnen ein“, glaubt sie. Stattdesse­n müssten dann sie und ihre Kolleginne­n ran. „Und das wäre wirklich schlimm. Der Sonntag ist der einzige Tag, den ich wirklich planbar für meine Familie frei habe.“Ein freier Werktag sei kein Ersatz: „Da bin ich doch dann allein zu Hause.“Auch Gewerkscha­ftsvertret­er Foullong verweist noch einmal explizit auf den Ruhetag, der Vorrang vor dem Kommerz habe. Es gehört zu den Kuriosität­en dieser Debatte, dass Verdi hier mit den beiden Kirchen in schöner Einigkeit Seite an Seite steht. Denn auch für Katholiken und Protestant­en hat der Sonntagssc­hutz hohe Priorität. Für Stadtdecha­nt Ulrich Hennes geht es dabei nicht um Tradition oder den Gottesdien­st am Sonntag. „Es geht auch um die Menschlich­keit. Darum, dass der Mensch mal zur Ruhe kommt. Und dass er Zeit hat, Familie und Freunde zu treffen und zu besuchen. Dafür muss man auch mal woanders hinfahren können, dafür braucht man freie Zeit.“

Die evangelisc­he Superinten­dentin Henrike Tetz berichtet von zahlreiche­n Arbeitnehm­ern, die sich an sie und andere Pfarrer mit der dringenden Bitte wenden: Tut bitte alles, damit das nicht weiter ausgedehnt wird. „Der freie Sonntag signalisie­rt, dass der Wert eines Menschen nicht davon abhängt, was er leistet oder was er sich leisten kann“, sagt die Pfarrerin. Hennes sieht das ganz ähnlich: „Wir müssen auch an diesem Punkt deutlich machen: Der Markt ist nicht alles. Diese Botschaft ist in Düsseldorf, wo Konsum den Alltag mitprägt, besonders wichtig.“

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RP-FOTO: ANNE ORTHEN Die Städte sind voll, wenn die Geschäfte an einem Sonntag öffnen – vor allem zur Weihnachts­zeit.

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