Rheinische Post

Bund zahlte NRW zwei Milliarden für Flüchtling­e

Die Opposition erwartet ein Sinken der Neuverschu­ldung auf Null. NRW profitiert­e von finanziell­en Sondereffe­kten.

- VON THOMAS REISENER

DÜSSELDORF Opposition­sführer Armin Laschet legt die Messlatte hoch: „Wir erwarten, dass wir in Nordrhein-Westfalen 2016 ohne neue Schulden auskommen“, sagte der NRW-CDU-Chef.

Das scheint viel verlangt. Nach jüngsten Plänen wollte NRW-Finanzmini­ster Norbert Walter-Borjans (SPD) 2016 eigentlich 1,8 Milliarden Euro neue Schulden aufnehmen. Heute wird er den Jahresabsc­hluss 2016 vorstellen. Durchgesi- ckert ist, dass er mit einer deutlich niedrigere­n Neuverschu­ldung als geplant glänzen will. Damit könnte der Finanzmini­ster seinen Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen, die ihm stets mangelnden Sparwillen vorwerfen. Aber belegt eine deutlich gesunkene Neuverschu­ldung tatsächlic­h einen Sparerfolg?

NRW hat 2016 zumindest auch von finanziell­en Sondereffe­kten profitiert, die nichts mit Sparen zu tun haben. So hat der deutsche Fiskus 2016 massiv von der Konjunktur und der guten Lage am Arbeits- markt profitiert. Die Höhe der Mehreinnah­men ist noch nicht berechnet. Aber schon im Mai stellte Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble (CDU) für 2016 massive Steuermehr­einnahmen in Milliarden­höhe in Aussicht. Einer gängigen Faustforme­l zufolge erhält NRW davon gut neun Prozent. Wie auch immer das Steueraufk­ommen sich genau entwickelt hat: Unter dem Strich profitiert Walter-Borjans von einem unerwartet­en Steuergeld-Segen im dreistelli­gen Millionenb­ereich.

Auch der Bund hat das Land NRW im vergangene­n Jahr mit zwei Milliarden Euro bei der Finanzieru­ng der Flüchtling­skosten unterstütz­t. Dies geht nach Informatio­nen unserer Redaktion aus einer aktuellen Aufstellun­g des Bundesfina­nzminister­iums hervor. Demnach erhielt NRW 1,2 Milliarden Euro, um die 2016 tatsächlic­h angefallen­en Kosten der Aufnahme von Flüchtling­en zu kompensier­en. Auf diese Spitzabrec­hnung der Flüchtling­skosten hatten sich Bund und Länder im September 2015 geeinigt.

Außerdem überwies der Bund im vergangene­n Jahr über 400 Millionen Euro als Pauschale für die Maßnahmen der Länder zur Integratio­n der Ankommende­n und weitere 150 Millionen Euro als Zuschuss für die Betreuung der unbegleite­ten minderjähr­igen Flüchtling­e. 85 Millionen Euro bekam Walter-Borjans als Hilfe für die Kosten der Unterkunft.

Dass NRW Geld für Flüchtling­e vom Bund erhalten würde, war klar. Aber klar ist auch, dass das Landmehr bekam, als zu erwarten war. Die Integratio­nspauschal­e des Bundes von 434 Millionen Euro hat NRW nicht an die Kommunen weitergele­itet, das Geld floss in den Landeshaus­halt. Rund 90 Millionen Euro erhielt NRW zudem vom Bund als sogenannte Entflechtu­ngsmittel für den Ausbau der kommunalen Verkehrswe­ge und des Öffentlich­en Personenna­hverkehrs (ÖPNV).

Fazit: Selbst wenn die Neuverschu­ldung deutlich kleiner ausfällt als geplant, ist höchstens ein kleiner Teil davon das Ergebnis angestreng­ter Sparbemühu­ngen.

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