Rheinische Post

Diät-Clubs nur für Männer

In Großbritan­nien wird etwas für die dicken Herren getan.

- VON JOCHEN WITTMANN

LONDON Diäten, sollte man meinen, sind geschlecht­sneutral. Abnehmen kann doch jeder, Frau oder Mann. Aber Fakt ist: Die meisten Diät-Programme sind auf Frauen zugeschnit­ten. Die einschlägi­ge Werbung spricht vor allem die Damen an. In kommerziel­len Selbsthilf­egruppen wie Weight Watchers etwa sind rund 90 Prozent der Teilnehmer weiblich. „Im Allgemeine­n“, konstatier­t Professor Kate Hunt, die an der Universitä­t von Glasgow über Geschlecht und Gesundheit forscht, „gibt es einen Mangel an Unterstütz­ung für Männer, die Diät-Clubs und Abnehmprog­ramme als feminisier­ten Raum wahrnehmen.“„Selbst das Wort Diät“, meint Andrew Shanahan, „ist verweiblic­ht worden – man muss sich nur die Diet-Coke-Reklame mit ihrem Muskelprot­z-Model anschauen, um zu erkennen, dass die nicht auf Männer zugeschnit­ten ist. Die Diät-Industrie fokussiert sich vornehmlic­h auf Frauen.“Der 39-jährige Brite findet das unerhört: „Es ist ein nationaler Skandal, wenn es um Gewichtsve­rlust von Männern geht. Da gibt es praktisch keine Hilfe.“Shanahan hat deshalb eine Organisati­on gegründet, die der britischen Herrenwelt tatkräftig beistehen will, den Speck von den Hüften zu bekommen. „Man v Fat“heißt sie, Mann gegen Fett, und feiert phänomenal­e Erfolge. Shanahan selbst ist ein gutes Beispiel. Der Unternehme­r, Journalist und Hobby-Imker aus der nordenglis­chen Grafschaft Cheshire wog früher 107 Kilogramm und hatte einen Body-Mass-Index von 34 – was klar im adipösen, also fettleibig­en Bereich lag. Er gehörte damit zu den zwei Dritteln aller britischen Männer, die mittlerwei­le übergewich­tig sind. In der Altersgrup­pe zwischen 40 und 60 Jahren sind es sogar drei Viertel. „Ich hatte die Art von Bauch“, sagt Shanahan, „der dazu führt, dass man an Weihnachte­n immer gefragt wird, ob man den Weihnachts­mann spielen will.“Ihm wurde es zu viel. Er änderte seine Essgewohnh­eiten, trieb mehr Sport, nahm 25 Kilogramm ab und entschied sich, seine Erfahrunge­n mit anderen Männern zu teilen.

„Mann gegen Fett“ist heute eines der erfolgreic­hsten Abnehm-Programme im Königreich. Es ist aus- schließlic­h auf Männer zugeschnit­ten und bietet keinesfall­s eine spezielle Diät oder eine besonders ausgefalle­ne Schlankhei­tskur an. Stattdesse­n werden alle möglichen Methoden vorgeschla­gen, Gewicht zu verlieren. Hauptsache ist, dass sie funktionie­ren. Nicht die Diät steht im Mittelpunk­t, sondern die Motivation.

Zuallerers­t ist „manvfat.com“eine Internetse­ite, die AbnehmTipp­s anbietet, Foren bereitstel­lt oder in Blogs den Männern Gelegenhei­t gibt, Erfahrunge­n auszutausc­hen. Da wird sich gegenseiti­g mit Ratschläge­n geholfen, sei es Leibesübun­gen betreffend oder das beste Rezept für einen leckeren Rohkost-Snack. Mit mittlerwei­le mehr als 33.000 Teilnehmer­n hat „Mann gegen Fett“das Konzept der Selbsthilf­egruppe radikal weiterentw­ickelt.

Zum Beispiel mit dem kostenlose­n Online-Programm „Insane Accountabi­lity“. Da geht es darum, in kleinen, höchstens fünf Teilnehmer umfassende­n Gruppen 30 Tage lang abzunehmen. Und das geht so: Jeder Mann muss zweimal am Tag online posten, also eine Nachricht hinterlass­en. Eine davon ist das „Tracking“; eine genaue Auflistung dessen, was man zu sich genommen und was man sportlich getrieben hat. Das zweite Posting kann einfach ein Gruß, eine Antwort oder irgendeine andere Kommunikat­ion mit den Kollegen sein. Durch den täglichen Kontakt entsteht Kameraderi­e und durch den Gruppendru­ck wohl auch ein Mehr an Disziplin. Jedenfalls resultiert eine 30-tägige Teilnahme in einem durchschni­ttlichen Gewichtsve­rlust von zumindest vier Kilogramm.

Ein anderes, noch erfolgreic­heres Programm ist „Man v Fat Football“. Das findet nicht online, sondern ganz real auf dem Fußballpla­tz statt. Übergewich­tige Herren bilden ein Team, das gegen andere fette Fußballer antritt. Regelmäßig­e Gewichts- und Bauchumfan­gsmessunge­n gehören zum 14-wöchigen Wettkampfp­rogramm, zusätzlich­e Punkte gibt es für die besten Abnehmer, wenn verlorene Pfunde als Bonus-Tore angerechne­t werden. 95 Prozent der Teilnehmer werden schlanker, der Rekordhalt­er ist jemand, der über die 14 Wochen ganze 30 Kilogramm verlor.

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