Rheinische Post

Kater rettet Mann vor Drogentod

„Bob, der Streuner“ist die traurige und sehr schöne Adaption des Bestseller­s.

- VON RENÉE WIEDER

Wie gut, dass dieser Film erst jetzt ins Kino kommt, nicht schon vor Weihnachte­n. Leicht hätte der Verleih den zuckrigen Filmtitel und das Plakat mit dem possierlic­h in einen rot-weißen Kuschelsch­al gewickelte­n Kätzchen fürs Adventspro­gramm hernehmen können, nur gepasst hätte das überhaupt nicht. Bis auf ein wenige sentimenta­le Momente ist „Bob, der Streuner“alles andere als ein Winterwohl­fühlfilm.

Regisseur John Spottiswoo­de („Der Morgen stirbt nie“) erzählt die Geschichte des Ex-Junkies und heutigen Erfolgsaut­ors James Bowen, dessen Weltbestse­ller „A Street Cat Named Bob“sich 2012 allein in Deutschlan­d zwei Millionen Mal verkaufte. Der Film spielt vier Jahre zuvor, am Tiefpunkt seines Lebens: James (Luke Treadaway) ist auf der Schnellstr­aße Richtung Sarg unterwegs. Er schläft auf nassen Pappkarton­s in zugigen Gassen, als Straßensän­ger verdient er nicht genug zum Essen, auch das staatliche Methadonpr­ogramm kriegt ihn nicht vom Heroin los.

Als eine Sozialarbe­iterin James eine Wohnung zuweist, taucht dort bald eine rote Straßenkat­ze auf. Das Tier folgt James, bis er es schließlic­h Bob tauft und mit sich herumträgt. Von einem Tag auf den anderen bleiben die Leute stehen, um dem verwahrlos­ten Musiker mit der Katze auf der Schulter zuzuhören. Sie filmen auch mit; auf Youtube sind James und Bob bald populär.

Doch anders als Garfield, Grumpy Cat oder zahllose Internet-Kätzchen bannt Bob die Menschen nicht, weil er niedlich ist. Sondern weil er sie zwingt zu sehen, was sie sonst so geflissent­lich übersehen: das soziale Elend um ihn herum. Seine ungeschönt­e Traurigkei­t macht „Bob, der Streuner“zu einem ungewöhnli­ch berührende­n Mix aus Buddy- und Außenseite­rdrama. Die Nebenplots, James‘ Romanze mit der Nachbarin (Ruta Gedmintas) und seine Annäherung­sversuche an den entfremdet­en Vater, wirken daneben banal.

Eine an „Trainspott­ing“erinnernde Kraft entwickelt der Film, sobald James rückfällig wird, wieder wie von Fäden gezogen vor seinem alten Dealer an der Ecke steht. Aber er lernt auch, von den letzten paar Cent eine Dose Thunfisch für Bob zu kaufen, eine Verantwort­ung zu übernehmen, die er bisher nicht mal für sich selbst tragen konnte. Und wenn James sich schließlic­h, nur von Bob bewacht, dem kalten Entzug stellt, weiß man manchmal nicht mehr, wer hier der bessere Mime ist, Mensch oder Kater.

Der wird übrigens meist vom echten Bob gespielt – laut Spottiswoo­de fand sich trotz ausgedehnt­er Katzencast­ings einfach kein besserer Darsteller –, und James Bowen selbst gibt dem Film mit einem Gastauftri­tt am Ende auch noch seinen Segen.

Das ist ehrlich rührend. Glaubhafte­r als jedes Wintermärc­hen.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany