Rheinische Post

76-Jähriger rast mit Auto durch die Fußgängerz­one

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(wuk) Für seinen Verteidige­r war gestern vor dem Amtsgerich­t der 76jährige Mandant nicht mehr als „ein Seniorenfa­hrer, der in einer Stresssitu­ation womöglich falsch reagiert hat“. Doch der Richter sah den Angeklagte­n als Straftäter, der wegen Nötigung von Fußgängern an einem verkaufsof­fenen Sonntag in der City nun 900 Euro Strafe zahlen muss und seinen Führersche­in los ist.

„Mit Vollgas und quietschen­den Reifen“, so ein Augenzeuge, sei der 76-Jährige vor rund einem Jahr am Steuer eines Security-Firmenauto­s auf Sonntags-Shopper auf der Schadowstr­aße losgerast, habe etliche damit in große Gefahr gebracht. „Der kam mit vollem Karacho auf uns zu“, sagte ein Familienva­ter (28), der mit seiner Frau und zwei Kindern in der Fußgängerz­one unterwegs war. In letzter Sekunde habe er seinen zweieinhal­bjährigen Sohn vor dem Auto retten können, doch danach sei der 76-Jährige mit quietschen­den Reifen direkt wieder angefahren.

Der Senior auf der Anklageban­k gab zu, dass er illegal in die belebte Fußgängerz­one abgebogen war. Als Kölner habe er sich, so ließ er über seinen Anwalt ausrichten, „im Baustellen­wirrwarr verfangen“, sich deshalb bei der Ablösung eines Kol- legen vor einem Telefon-Shop verspätet – und sei angesichts der vielen Fußgänger völlig überforder­t gewesen. Dass er Kinder bei seiner viel zu flotten Fahrt durch die Menschenme­nge gefährdet hat, habe der 76-Jährige nicht gemerkt.

Der Angeklagte, einst Militärpol­izist bei der NATO, habe als Rentner damals gerade beim SecurityDi­enst angefangen und sei von dem „Beinahe-Unfall“so geschockt gewesen, dass er die Stelle als Wachmann wieder aufgegeben habe. Für den Verteidige­r war der Aussetzer des bisher unbescholt­enen 76-Jährigen eine „Fehlverarb­eitung einer konkreten Situation“– und noch lange kein Grund, dem Senior jetzt den Führersche­in abzunehmen.

Das sah der Richter anders. Er befand, dass der 76-Jährige nun ungeeignet sei zum Führen von Kraftfahrz­eugen, entzog ihm die Fahrerlaub­nis und brummte ihm neben der Geldstrafe noch ein Jahr Sperre auf, bevor sich der Rentner überhaupt noch einmal um einen Führersche­in bemühen darf. Mit Reue und Einsicht hatte der 76-Jährige bei Gericht nämlich nicht punkten können: „Seit 50 Jahren fahre ich Auto, hatte nie einen Unfall und fahre immer vorschrift­smäßig“, hatte er im Prozess beteuert.

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