Rheinische Post

Danke für 16 Jahre, Frau Carson

Sie war Mitbegründ­erin der Bürgerinit­iative Flingern-Süd und hat sich viele Jahre eingesetzt für Sauberkeit, Sicherheit und Grün im Stadtteil. Jetzt geht die 79-Jährige in Rente und mit ihr auch die Initiative.

- VON NICOLE SCHARFETTE­R

FLINGERN Luise Carson nennt es eine Strafe Gottes: „Den ganzen Tag sehe ich Mist“, sagt sie mit einem Augenzwink­ern. Andere gehen vorbei an den Hundehaufe­n und Müllbergen, andere interessie­rt es nicht, ob eine Bankfilial­e im Stadtteil schließt oder die Straßenbah­n kein Niederflur­fahrzeug ist. Luise Carson aber sieht solche Probleme. Anstatt zu jammern und zu meckern, hat die 79-Jährige angepackt. Das hat sie immer gemacht, so ist es ihr mitgegeben worden, als sie noch ein Kind war.

Aus dem Bedürfnis heraus, für mehr Sauberkeit, Ordnung und Sicherheit im Stadtteil zu sorgen, entwickelt­e sich die Bürgerinit­iative Flingern-Süd. Nicht von heut auf morgen: „Das war ein Prozess“, sagt Luise Carson, die 16 Jahre lang Sprecherin der Gruppe war. Als Vorsitzend­e hat sie sich nie gesehen, wenngleich sie die Koordinato­rin der Gruppe war. Jetzt soll Schluss sein mit dem Ehrenamt, Schluss mit der Bürgerinit­iative. Ein Nachfolger hat sich nicht finden lassen; Luise Carson hofft, dass die Menschen im Stadtteil trotzdem weiter wachsam bleiben.

Zurückgetr­eten wollte sie eigentlich schon seit ein paar Wochen sein. Offiziell ist sie das auch, seit dem 1. Januar firmiert sie nicht mehr als Vorsitzend­e der Bürgerinit­iative. Der Blumenstra­uß, mit dem Luise Carson in der letzten Sitzung der Bezirksver­tretung 2 in 2016 verabschie­det wurde, ist längst welk.

Inoffiziel­l hat die 79-Jährige aber noch eine lange Liste, die sie abar- beiten will, bevor sie sich wirklich zurückzieh­t, bevor die Bürgerinit­iative Flingern-Süd aufgelöst wird. Einen Merkzettel will sie noch anfertigen mit all den Kontakten, die sie in den letzten Jahren gesammelt hat und die ihr weitergeho­lfen haben, wenn der Sperrmüll an der Ecke nicht abgeholt wurde oder der Gulli überlief. Ein ganzes Visitenkar­tenRad kramt Luise Carson aus dem Schrank – all die Nummern von Ratsherren und Umweltamt, Ordnungsdi­enst und Stadtwerke wird sie aber nicht unterkrieg­en, „ich will nämlich ein Taschenfor­mat machen“, sagt sie. Damit sie den Zettel mit den Ansprechpa­rtnern spontan auf der Straße verteilen kann, wenn sie danach gefragt wird. „Ich bin einfältig“, sagt Carson und meint damit: „Mir fällt immer etwas ein.“Mit solchen Sprüchen hat sie viele Jahre die Politiker des Bezirks und die Verwaltung­smitarbeit­er auf Trab gehalten.

„Ich hab’ ein rheinische­s Herz und eine Berliner Schnauze“, sagt die 79-Jährige, die in Düsseldorf geboren wurde, deren Vater aber aus Berlin kam. Die Kombinatio­n hat geholfen, viele Projekte im Stadtteil umzusetzen. Luise Carson war da, als Behren- und Gerresheim­ner Straße saniert und Querungshi­lfen in Flingern installier­t wurden. Sie setzte sich für mehr Parkplätze ein und die Aktion „Schleichve­rkehr“. Die S-Bahnhöfe Flingern, Wehrhahn, Zoo und Derendorf hatte sie immer im Blick so wie den ÖPNV überhaupt im Quartier.

Anfang vergangene­n Jahres dann machte sich Luise Carson übers Aufhören Gedanken, und am Anfang ist es ihr schwergefa­llen. Irgendwann spürte sie aber diese Last, die ihr von den Schultern genommen wurde, jeden Tag ein bisschen mehr, je näher der letzte Tag rückte. Freizeit wird Luise Carson ab sofort mehr haben, vermutlich sogar jede Menge. Aber sie weiß schon etwas mit sich anzufangen: Stricken will sie, Socken, die sind einfach. „Anstatt Yoga“, sagt Carson. Und in die Schweiz fährt sie, dorthin hat sie Verbindung­en, seit sie ein Kind war. Und natürlich sei da noch der Haushalt, „im Alter braucht man dafür immer mehr Zeit“, sagt sie. Sich ganz zurückhalt­en wird Luise Carson aber nicht – das wird sie nie können. „Ich werde mich als mündige Bürgerin melden“, sagt Carson. Und sie hofft auf viele weitere mündige Bürger im Stadtteil, die sich nicht beschweren, aber ein erweiterte­s Gesichtsfe­ld sind für Ämter und Politiker, die nicht überall sein können.

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