Bau-Handwerk an der Kapazitätsgrenze
Kaum ein Sektor profitiert so stark von der guten konjunkturellen Lage. Wer Bau-Handwerker beauftragen will, muss zurzeit oft wochenlang warten, weil die Auftragsbücher prall gefüllt sind. Kritisch wird das Dieselverbot gesehen.
Im regionalen Handwerk brummt das Geschäft. Und zwar auf Rekordniveau. Nach den bislang vorliegenden Daten und Schätzungen von Handwerk.NRW haben die Unternehmen des Wirtschaftsbereichs im vergangenen Jahr landesweit einen Gesamtumsatz von mehr als 120 Milliarden Euro erzielt. „Das entspricht einem Wachstum von nominal 3,5 Prozent oder real 1,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr“, sagte Handwerks-Präsident Andreas Ehlert.
Das Geschäftsklima des Wirtschaftssektors hat in den beiden halbjährlichen Umfragen der sieben nordrhein-westfälischen Handwerkskammern im Jahr 2016 historische Spitzenwerte erreicht. Der entsprechende Indikator lag bei 90 beziehungsweise 91 Prozent. „Das ist der höchste Wert des Index seit Beginn der Befragung vor 33 Jahren“, sagte Ehlert. Besonders in Düsseldorf laufe das Geschäft.
Erstmals seit Jahren hat das Handwerk auch von der steigenden Beschäftigung profitiert. Die Zahl der Mitarbeiter in Handwerksbetrieben wuchs leicht um 0,1 Prozent auf jetzt 1,1 Millionen. „Angesichts der Schwierigkeiten aller gewerblich-technischen Branchen – nicht nur des Handwerks – Fachkräfte zu finden und junge Leute für die duale Berufsausbildung zu gewinnen, werten wir diesen Zuwachs als Erfolg“, so Ehlert. Bei den neu abgeschlossenen Ausbildungsverhältnissen konnte gegen den Trend ein Anstieg verzeichnet werden. Es wurden 0,3 Prozent mehr Lehrverträge bis September abgeschlossen.
Als einer der zentralen Auslöser der guten Geschäftslage im Hand- werk gilt die florierende Baukonjunktur. Diese habe zuletzt noch einen deutlichen Schub durch die Investitionen der Öffentlichen Hand erhalten. Diese habe 2016 vor allem in die Unterbringung der zahlreichen Flüchtlinge investiert, was dem Handwerk zugutekam. Erstmals sei auch stärker das Augenmerk auf die kommunale Infrastruktur gelegt worden. „Mindestens das Vorjahresergebnis beim Umsatz haben aber auch alle anderen Branchengruppen unseres Wirtschaftssektors erzielen können“, so der Präsident der Düsseldorfer Handwerkskammer weiter.
Gegenüber dem ebenfalls bereits guten Vorjahr hat sich die Auftragsentwicklung noch einmal weiter verbessert. Der Anteil der Betriebe, die steigende Auftragszahlen verzeichneten, überstieg bei der letzten Umfrage Ende 2016 den Anteil derer, die weniger Vorlauf hatten, um 16 Prozent. Markant ist auch die Entwicklung der sogenannten Auftragsreichweite. Diese beträgt im Durchschnitt aller Gewerke rund sechs Wochen. Das heißt konkret, dass Kunden im Schnitt sechs Wochen auf ihren Handwerker warten müssen. Im Bauhauptgewerbe ist man sogar bereits an der Kapazitätsgrenze. Die Auftragsreichweite beträgt aufgrund des verstärkten Baubooms derzeit sogar 8,6 Wochen. Kammerpräsident Ehlert spricht in dem Zusammenhang von Vollauslastung, am Bau liege die Auslastung bei 86 Prozent, im Schnitt aller anderen Branchen liegt der Wert immerhin bei 80 Prozent.
In großer Sorge sind das Handwerk und seine Organisationen wegen des drohenden Dieselverbotes für die Düsseldorfer Innenstadt. Ein Gericht hatte dies angedroht. Ehlert hält es für wahrscheinlich und fordert entsprechende Ausnahmeregelungen unter anderem für das Handwerk. „Wir sind sehr verärgert darüber, dass selbst Fahrzeuge, die im Jahr 2015 gekauft wurden und deshalb nicht die Euro-6-Norm erfüllen, dann nicht mehr in die Innenstädte dürfen“, sagte Ehlert. Der Fuhrpark der Handwerksbetriebe sei für eine Nutzungsdauer von zehn bis zwölf Jahren ausgelegt. „Wenn die Industrie gepfuscht hat, dann darf das mittelständische Handwerk das nun nicht ausbaden müssen“, so Ehlert weiter.
Sollte das Diesel-Verbot für Düsseldorfs Innenstadt tatsächlich Realität werden, wäre das ein Schlag ins Gesicht Tausender Pendler. Noch härter jedoch wären die mittelständischen Handwerksbetriebe getroffen. Deren Lieferfahrzeuge sind oft das teuerste und auch langlebigste Investitionsgut der ganzen Firma. Und da es typischerweise meist für große Lasten ausgelegt ist, hat es auch einen Motor, der hierfür seit Jahrzehnten am geeignetesten erschien und deshalb durch eine niedrigere Mineralölsteuer auch gefördert wurde: einen Diesel. Diesen als alleinige Dreckschleuder darzustellen, ist zu kurz gegriffen. Es gibt noch andere Stellschrauben, etwa die Versorgung der Binnenschiffe mit Landstrom anstelle der rußpartikel-intensiven Versorgung über eigene Aggregate.
Thorsten.Breitkopf @rheinische-post.de
(semi) Die dramatische Rettung einer 19-Jährigen aus dem Rhein Ende Oktober war für Ramo Begovic ein Wendepunkt in seinem Leben: Seitdem will der 25-Jährige aus Bosnien, der auf einem Hotelschiff als Rezeptionist arbeitet, sein Leben umkrempeln, vor allem einen Job an Land finden, um eine Beziehung führen und eine Familie gründen zu können. Bei der Jobsuche hatte die Arbeitsagentur Begovic, der sich die deutsche Sprache selbst beigebracht hat, Hilfe angeboten. Er hat das Angebot angenommen und war vor Kurzem zum Gespräch in der Arbeitsagentur, wie Sprecher Peter Wege auf RP-Anfrage bestätigt.
„Wir fahren jetzt zweigleisig“, so Wege. So wolle man Begovic dabei helfen, in der Landeshauptstadt entweder einen Job in der Hotellerie zu finden oder einen Ausbildungsplatz als Informatik-Kaufmann, denn auch diesen Berufsweg könne sich Begovic gut vorstellen. Die Bewerbungsunterlagen sei man gemeinsam bereits durchgegangen.
Die Chancen auf eine Stelle in der Stadt bewertet Wege als gut: Begovic habe das Abitur gemacht, ein sehr angenehmes Auftreten und Berufserfahrung vorzuweisen. „Wir sind optimistisch“, so der Sprecher der Arbeitsagentur.