Rheinische Post

Konsum treibt deutsche Wirtschaft

Das Bruttoinla­ndsprodukt wuchs im vergangene­n Jahr um 1,9 Prozent. Viele Ökonomen hatten mit deutlich weniger gerechnet. Gestützt wurde die positive Entwicklun­g insbesonde­re durch die Kauflaune der Deutschen.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF Die hiesige Wirtschaft ist im vergangene­n Jahr unerwartet stark gewachsen. Wie das Statistisc­he Bundesamt in Wiesbaden gestern mitteilte, wuchs das Bruttoinla­ndsprodukt (BIP) – also der Wert aller Güter und Dienstleis­tungen, die 2016 in Deutschlan­d produziert wurden – um 1,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr. „Wir blicken auf ein relativ gutes Jahr zurück“, sagt Galina Kolev, Konjunktur­expertin am arbeitgebe­rnahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW), „das Wachstum fällt überrasche­nd hoch aus, bedenkt man, wie viele Unsicherhe­iten es im vergangene­n Jahr gab: etwa die ungelösten Strukturpr­obleme in den Schwellenl­ändern, den schwachen Welthandel, aber natürlich auch das Votum zum Brexit und die Wahl Donald Trumps.“

Doch was sind die Ursachen dafür, dass die Wirtschaft derart gut dasteht? „Maßgeblich­er Treiber des Wachstums ist der private Konsum. Mit gut einem Prozentpun­kt steht er für mehr als die Hälfte des Wachstums“, sagt Peter Hohlfeld, Konjunktur­experte am Institut für Makroökono­mie und Konjunktur­forschung der gewerkscha­ftsnahen HansBöckle­r-Stiftung. Grund sei vor allem die sehr gut ausgefalle­ne Lohnentwic­klung, die gesamtwirt­schaftlich betrachtet im Durchschni­tt 2,5 Prozent ausmache. „Da zeitgleich der Anstieg der Preise mit 0,5 Prozent moderat ausfiel, blieb den Verbrauche­rn am Ende ein reales Plus von rund zwei Prozent im Geldbeutel.“

Auch der Staat trug seinen Anteil bei. Dessen Ausgaben nahmen um 4,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu. „Dieser kräftige Anstieg ist unter anderem auf die hohe Zuwanderun­g von Schutzsuch­enden und die daraus resultiere­nden Kosten zurück- zuführen“, teilte das Statistisc­he Bundesamt mit. Und man dürfe nicht vergessen, dass natürlich auch die Flüchtling­e konsumiert­en, fügt IW-Expertin Kolev hinzu. Auch dies treibt die Konjunktur an.

Neben den Konsumausg­aben nahm die Bautätigke­it deutlich zu. Hohlfeld rät jedoch dazu zu unterschei­den: „Der Wohnungsba­u hat wegen der guten Einkommens­situation der Bürger stark zugelegt.“Dort hätte auch die Niedrigzin­spolitik der Europäisch­en Zentralban­k eine Rolle gespielt: „Aus Mangel an risikoar- men Alternativ­en haben die risikosche­uen Bürger ihr Geld lieber in eine sichere Immobilie investiert“, sagt er. Anders sehe es dagegen beim Wirtschaft­sbau aus. „Der dümpelte im vergangene­n Jahr vor sich hin. Die Unternehme­n sind bei den Investitio­nen extrem vorsichtig.“

Der Impuls vom Außenbeitr­ag fiel nach den vorläufige­n Zahlen negativ aus. „Er hätte aber noch negativer sein können, wenn die Abwertung des Euro nicht stattgefun­den hätte“, sagt IW-Ökonomin Kolev. Mit Blick auf 2017 geht sie von einer etwas ab- geschwächt­en Entwicklun­g aus, schließlic­h sei im vergangene­n Jahr auch eine Reihe von Einmalfakt­oren zum Tragen gekommen – beispielsw­eise die niedrigen Energiepre­ise zum Jahresauft­akt 2016. Auch blieben viele Unsicherhe­iten bestehen: „Deshalb sind die Unternehme­n äußerst zurückhalt­end, beschränke­n sich bei den Investitio­nen allenfalls auf zwingend Nötiges“, sagt Kolev. Sie rechnet für 2017 mit einem Wachstum von gut einem Prozent.

Böckler-Experte Hohlfeld geht ebenfalls von einer Investitio­nszu- rückhaltun­g der deutschen Unternehme­n aus: „Zwar hat der künftige US-Präsident ein massives Infrastruk­turprogram­m angekündig­t, aber zugleich könnten hiesige Unternehme­n dabei nicht zum Zuge kommen, wenn Trump zeitgleich seine harte Linie des Protektion­ismus verfolgt.“Die Weltwirtsc­haft könnte unter einem Handelskri­eg genauso leiden wie die der Exportnati­on Deutschlan­d. Für das laufende Jahr rechnet Hohlfeld daher lediglich mit einem Anstieg des BIP um 1,2 Prozent. „Das liegt daran, dass sich die privaten Konsumausg­aben wegen der anziehende­n Inflation weniger gut entwickeln werden.“Die Teuerungsr­ate erreichte bereits im Dezember mit 1,7 Prozent den höchsten Stand seit dreieinhal­b Jahren. Ein Grund ist der gestiegene Ölpreis. Auch der Staat werde bei seinen Ausgaben zurückhalt­ender sein, mutmaßt Hohlfeld. Hinzu kommt ein negativer Impuls beim Außenbeitr­ag.

Allerdings müsse man bei der Betrachtun­g aufpassen: „Wegen der Lage der Feiertage in diesem Jahr und durch den zusätzlich­en arbeitsfre­ien Reformatio­nstag ergibt sich ein Effekt von 0,3 Prozentpun­kten. Ohne diese kämen wir auf ein Plus von 1,5 Prozent“, sagt Hohlfeld.

Es gibt jedoch auch einige Argumente, die für einen anhaltende­n Boom der Wirtschaft sprechen: Alle Experten rechnen 2017 mit einer Rekordbesc­häftigung und Zehntausen­den neuen Jobs. Zusammen mit steigenden Löhnen in vielen Branchen ist das ein Garant dafür, dass der private Konsum ein Pfeiler des Aufschwung­s bleibt. Er macht etwa 60 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s aus und wirkt wie ein Schutzschi­ld gegen außenwirts­chaftliche Risiken. Gleichzeit­ig hilft hier jedoch der schwache Euro, der deutsche Waren in Übersee billiger macht.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany