Der Kapitän ist zum WM-Start an Bord
Nach dem Tod seines Vaters ist Uwe Gensheimer zum Handball-Nationalteam nach Rouen nachgereist und steht zum ersten WM-Gruppenspiel gegen Ungarn heute Abend zur Verfügung.
ROUEN Heute soll es noch ungemütlicher werden in Rouen. Gestern Nachmittag begann der Regen, der die Stadt in der Normandie in ein tristes Grau tauchte. Nun ist Schnee angesagt – und es soll glatt werden. Rutschgefahr! Auch die HandballNationalspieler könnten bei ihrem WM-Auftakt ( ab 17.45 Uhr/handball.dkb.de) in Frankreich ausrutschen. Bundestrainer Dagur Sigurdsson hat Respekt vor den Ungarn, betont aber auch: „Wir wissen, dass wir gut sind. Aber es wird ein schweres Spiel.“
Gestern Abend traf Uwe Gensheimer im Hotel ein und nahm am Abschlusstraining teil. Begleitet wurde der Kapitän von Oliver Roggisch. Der Teammanager war in Mannheim geblieben. Er hatte Kontakt gehalten zu dem 30-Jährigen, dessen Vater (60) am vergangenen Sonntag unerwartet gestorben war. „Wir müssen ihn nun gut empfangen. Wir brauchen ihn. Ich hoffe, dass er sich auf die WM konzentrieren kann“, sagte Sigurdsson. Der Kapitän stellte klar: „Ich werde die WM spielen.“Eine positive Nachricht, zumal hinter dem Einsatz des zweiten Linksaußen im Kader, Rune Dahmke, ein Fragezeichen steht. Der Kieler hat sich erkältet.
Gensheimers Teamkollegen waren am Mittwochabend in der Stadt eingetroffen. Statt der eingeplanten sieben waren es zehn Stunden geworden. Staus ab der Grenze und technische Probleme am Bus hatten die Anreise verlängert.
Doch schon da wurde den Spielern klar, dass dieses Turnier nicht nur einen sportlichen Aspekt hat. Im Bus saßen auch Sicherheitskräfte, die das Team während der gesamten Zeit begleiten werden. Das Hotel war vor der Ankunft des Europameisters auf den Kopf gestellt worden, Sprengstoffhunde hatten jedes Zimmer durchsucht. Die Terroranschläge, die Frankreich, und nicht nur Frankreich, erschütterten, prägen auch zum Teil diese WM.
Doch im Mittelpunkt steht der Kampf um den Titel. Und den haben die deutschen Spieler im Kopf. „Wenn man Europameister geworden ist und Olympia-Bronze geholt hat, kann man nicht sagen: ,Wir schauen mal, wie es läuft.‘ Wir haben den Anspruch, Gold zu holen“, sagt Julius Kühn. Der wurfgewaltige Rückraumspieler vom VfL Gummersbach verkörpert das Selbstbewusstsein der Mannschaft.
„Ich weiß, dass wir um die Medaillen mitspielen können. Aber wir müssen sehen, wie die Spieler mit Gegenwind umgehen können“, sagte Dagur Sigurdsson. Vor zwei Jahren bei seinem ersten großen Auftritt mit der Mannschaft langte es zu Platz sieben bei der WM in Katar. „Wenn wir nun unter die besten sechs Teams kommen, bin ich zufrieden“, betonte der Isländer, der aber auch mit mehr liebäugelt. Gegenwind, den könnte es schon heute geben. Gegner Ungarn hat nach einem Durchhänger (WM 2015 und Olympia in Rio verpasst, nur EM-
Zwölfter) zuletzt wieder gute Leistungen gezeigt. Star der Mannschaft ist der allerdings nicht mehr ganz „frische“Laszlo Nagy. Der bald 36-jährige Rückraumspieler, mit 2,08 Meter und 113 Kilogramm kaum zu übersehen, soll die Männer von Trainer Xavier Sabate führen.
Auch wenn ein Sieg zum Auftakt guttun würde und eine überzeugende Leistung Rückenwind geben kann, ist eine Niederlage nicht das Ende aller Träume. Vor Jahresfrist startete die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) in Polen mit einer Niederlage gegen Spanien ins EM-Turnier. Im Finale ließen die Spieler von Dagur Sigurdsson demselben Gegner nicht den Hauch einer Chance. Allerdings war der Weg zum Triumph nicht frei von glücklichen Momenten, drohte auch das vorzeitige Aus. Nicht verrückt machen lassen, ihr Spiel durchziehen – das sind Qualitäten der Profis, die in Rouen am Ball sind. Die nicht überheblich gemeinte Einstellung, „wir gewinnen sowieso“, haben sie sich hart erarbeitet und mit Ergebnissen untermauert. Heute soll ein neues Erfolgskapitel begonnen werden.