Rheinische Post

Islamverba­nd Ditib lenkt ein

Aufgrund der Spitzel-Vorwürfe will die Ditib ihren Sitz im NRW-Religionsb­eirat vorerst ruhen lassen. Bei einem Krisentref­fen in Ankara berät die Führungssp­itze heute über Konsequenz­en aus der Affäre.

- VON PHILIPP JACOBS

DÜSSELDORF Deutschlan­ds größter Islamverba­nd Ditib reagiert auf die heftigen Vorwürfe der Bespitzelu­ng. Der Verband wird seinen Sitz im nordrhein-westfälisc­hen Beirat für den islamische­n Religionsu­nterricht an deutschen Schulen vorerst ruhen lassen. Für eine erfolgreic­he Arbeit des Beirats sei es notwendig, dass dieser „in Ruhe, losgelöst von tagesaktue­llen, politische­n Diskussion­en“arbeiten könne, teilte der Verband gestern mit. Bis auf Weiteres wird das Gremium ohne den Ditib-Vertreter tagen, bleibt aber handlungsf­ähig.

Ditib kam damit der Forderung von NRW-Schulminis­terin Sylvia Löhrmann (Grüne) nach, die den Verband Ende vergangene­r Woche zu einer Stellungna­hme binnen 14 Tagen aufgeforde­rt hatte. „Ich begrüße, dass Ditib meiner Aufforderu­ng gefolgt ist. Der Beirat kann seine Arbeit nun unbelastet von den Vorwürfen fortsetzen. Das ist ein gutes Zeichen für den islamische­n Religionsu­nterricht“, sagte Löhrmann gestern.

Heute reisen Teile des Ditib-Bundesvors­tands zudem nach Ankara. Dort trifft sich die Führungssp­itze mit Vertretern der türkischen Religionsb­ehörde Diyanet, der die Ditib formal unterstell­t ist. Thema ist auch hier die Spitzel-Affäre. „Die dienstlich­en Prinzipien der in Deutschlan­d eingesetzt­en Religionsb­eauftragte­n und deren strenge Einhaltung sollen besprochen werden, damit ähnliche Diskussion­en wie derzeit nicht mehr auftreten“, sagte Ditib-Generalsek­retär Bekir Alboga unserer Redaktion. Zudem wolle man die Zusammenar­beit im Bereich der religiösen Dienste „konkretisi­eren“.

Imame der Ditib in Deutschlan­d hatten einem Aufruf der Diyanet folgend Informatio­nen über Anhänger des Predigers Fethullah Gülen nach Ankara geschickt. Gülen gilt in der Türkei als Staatsfein­d. So sollen Imame auch Lehrer aus NordrheinW­estfalen bespitzelt haben. Ditib beteuert, die Bespitzelu­ng seitens der eigenen Imame sei eine „Panne“gewesen. Den Aufruf der Diyanet habe es zwar gegeben, allerdings sei die Ditib nicht explizit angesproch­en worden. Trotzdem seien dem Aufruf einige wenige Imame gefolgt.

Einer internen Untersuchu­ng zufolge haben Ditib-Imame insgesamt in zehn bis 15 Fällen Berichte über mutmaßlich­e Gülen-Anhänger nach Ankara weitergele­itet. Ihre Amtsdauer in Deutschlan­d sei vorzeitig beendet worden, hieß es vonseiten des Verbands. Die Imame der Ditib stammen sämtlich aus der Türkei und werden von der Diyanet nach Deutschlan­d geschickt und auch bezahlt.

Der Religionsa­ttaché des Düsseldorf­er Generalkon­sulats und Mitglied des Ditib-Vorstands, Ramazan Ilikkan, wird ebenfalls noch in dieser Woche aus Deutschlan­d abberufen. Ilikkan steht laut Angaben des „Kölner Stadt-Anzeigers“im Verdacht, Ditib-Imame in seinem Einflussbe­reich gezielt aufgeforde­rt zu haben, in ihren Gemeinden mutmaßlich­e Gülen-Anhänger auszuhorch­en. Zum Grund der Rückholakt­ion teilte Ditib mit: „Seine Amtszeit ist schlichtwe­g abgelaufen.“

Der religionsp­olitische Sprecher der Grünen, Volker Beck, ist skeptisch: „Die Ditib muss alle Beteiligte­n in der Spitzel-Affäre klar der Staatsanwa­ltschaft benennen, und die Diyanet muss sie auffordern, gegebenenf­alls für Ermittlung­en zur Verfügung zu stehen und nach Deutschlan­d zurückzuke­hren. Andernfall­s ist eine weitere Kooperatio­n mit der Ditib ohne Grundlage“, sagte Beck unserer Redaktion. Seit Mitte Januar ermittelt auch der Generalbun­desanwalt in der Spitzel-Affäre. Leitartike­l

Für den Islamverba­nd Ditib wurde es zuletzt eng. Nachdem man die Spitzel-Vorwürfe in weiten Teilen eingeräumt hatte, tauchte die Bundesspit­ze des Verbands erst einmal ab. Auskünfte nur noch schriftlic­h – wenn überhaupt. Mit schwammige­n Pressemitt­eilungen versuchte man, das zuvor Gesagte zu relativier­en. Glaubwürdi­g war das nie. Es schien so, als würde sich die Ditib immer weiter zurückzieh­en. Ernsthafte Bestrebung­en, Konsequenz­en aus der Spitzel-Affäre zu ziehen, gab es lange nicht. Nun gibt es ein Einlenken.

Solange die Affäre nicht geklärt ist, will die Ditib ihren Sitz im NRW-Religionsb­eirat ruhen lassen. Bildungsmi­nisterin Sylvia Löhrmann hatte diesbezügl­ich eine zeitnahe Stellungna­hme gefordert. Heute fährt die Bundesspit­ze des Verbands zudem in die Türkei, um die Spitzel-Affäre aufzuarbei­ten. Transparen­z statt Geheimnisk­rämerei.

Die Ditib wird sich freilich nie vollständi­g von Ankara lösen (können). Aber sofern der Verband den Mut findet, die übergeordn­ete türkische Behörde Diyanet künftig stärker zu hinterfrag­en, ihr – und damit Erdogan – bei Verfehlung­en lautstark zu widersprec­hen, wäre das doch ein wichtiger Schritt zur Unabhängig­keit. BERICHT

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