Islamverband Ditib lenkt ein
Aufgrund der Spitzel-Vorwürfe will die Ditib ihren Sitz im NRW-Religionsbeirat vorerst ruhen lassen. Bei einem Krisentreffen in Ankara berät die Führungsspitze heute über Konsequenzen aus der Affäre.
DÜSSELDORF Deutschlands größter Islamverband Ditib reagiert auf die heftigen Vorwürfe der Bespitzelung. Der Verband wird seinen Sitz im nordrhein-westfälischen Beirat für den islamischen Religionsunterricht an deutschen Schulen vorerst ruhen lassen. Für eine erfolgreiche Arbeit des Beirats sei es notwendig, dass dieser „in Ruhe, losgelöst von tagesaktuellen, politischen Diskussionen“arbeiten könne, teilte der Verband gestern mit. Bis auf Weiteres wird das Gremium ohne den Ditib-Vertreter tagen, bleibt aber handlungsfähig.
Ditib kam damit der Forderung von NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) nach, die den Verband Ende vergangener Woche zu einer Stellungnahme binnen 14 Tagen aufgefordert hatte. „Ich begrüße, dass Ditib meiner Aufforderung gefolgt ist. Der Beirat kann seine Arbeit nun unbelastet von den Vorwürfen fortsetzen. Das ist ein gutes Zeichen für den islamischen Religionsunterricht“, sagte Löhrmann gestern.
Heute reisen Teile des Ditib-Bundesvorstands zudem nach Ankara. Dort trifft sich die Führungsspitze mit Vertretern der türkischen Religionsbehörde Diyanet, der die Ditib formal unterstellt ist. Thema ist auch hier die Spitzel-Affäre. „Die dienstlichen Prinzipien der in Deutschland eingesetzten Religionsbeauftragten und deren strenge Einhaltung sollen besprochen werden, damit ähnliche Diskussionen wie derzeit nicht mehr auftreten“, sagte Ditib-Generalsekretär Bekir Alboga unserer Redaktion. Zudem wolle man die Zusammenarbeit im Bereich der religiösen Dienste „konkretisieren“.
Imame der Ditib in Deutschland hatten einem Aufruf der Diyanet folgend Informationen über Anhänger des Predigers Fethullah Gülen nach Ankara geschickt. Gülen gilt in der Türkei als Staatsfeind. So sollen Imame auch Lehrer aus NordrheinWestfalen bespitzelt haben. Ditib beteuert, die Bespitzelung seitens der eigenen Imame sei eine „Panne“gewesen. Den Aufruf der Diyanet habe es zwar gegeben, allerdings sei die Ditib nicht explizit angesprochen worden. Trotzdem seien dem Aufruf einige wenige Imame gefolgt.
Einer internen Untersuchung zufolge haben Ditib-Imame insgesamt in zehn bis 15 Fällen Berichte über mutmaßliche Gülen-Anhänger nach Ankara weitergeleitet. Ihre Amtsdauer in Deutschland sei vorzeitig beendet worden, hieß es vonseiten des Verbands. Die Imame der Ditib stammen sämtlich aus der Türkei und werden von der Diyanet nach Deutschland geschickt und auch bezahlt.
Der Religionsattaché des Düsseldorfer Generalkonsulats und Mitglied des Ditib-Vorstands, Ramazan Ilikkan, wird ebenfalls noch in dieser Woche aus Deutschland abberufen. Ilikkan steht laut Angaben des „Kölner Stadt-Anzeigers“im Verdacht, Ditib-Imame in seinem Einflussbereich gezielt aufgefordert zu haben, in ihren Gemeinden mutmaßliche Gülen-Anhänger auszuhorchen. Zum Grund der Rückholaktion teilte Ditib mit: „Seine Amtszeit ist schlichtweg abgelaufen.“
Der religionspolitische Sprecher der Grünen, Volker Beck, ist skeptisch: „Die Ditib muss alle Beteiligten in der Spitzel-Affäre klar der Staatsanwaltschaft benennen, und die Diyanet muss sie auffordern, gegebenenfalls für Ermittlungen zur Verfügung zu stehen und nach Deutschland zurückzukehren. Andernfalls ist eine weitere Kooperation mit der Ditib ohne Grundlage“, sagte Beck unserer Redaktion. Seit Mitte Januar ermittelt auch der Generalbundesanwalt in der Spitzel-Affäre. Leitartikel
Für den Islamverband Ditib wurde es zuletzt eng. Nachdem man die Spitzel-Vorwürfe in weiten Teilen eingeräumt hatte, tauchte die Bundesspitze des Verbands erst einmal ab. Auskünfte nur noch schriftlich – wenn überhaupt. Mit schwammigen Pressemitteilungen versuchte man, das zuvor Gesagte zu relativieren. Glaubwürdig war das nie. Es schien so, als würde sich die Ditib immer weiter zurückziehen. Ernsthafte Bestrebungen, Konsequenzen aus der Spitzel-Affäre zu ziehen, gab es lange nicht. Nun gibt es ein Einlenken.
Solange die Affäre nicht geklärt ist, will die Ditib ihren Sitz im NRW-Religionsbeirat ruhen lassen. Bildungsministerin Sylvia Löhrmann hatte diesbezüglich eine zeitnahe Stellungnahme gefordert. Heute fährt die Bundesspitze des Verbands zudem in die Türkei, um die Spitzel-Affäre aufzuarbeiten. Transparenz statt Geheimniskrämerei.
Die Ditib wird sich freilich nie vollständig von Ankara lösen (können). Aber sofern der Verband den Mut findet, die übergeordnete türkische Behörde Diyanet künftig stärker zu hinterfragen, ihr – und damit Erdogan – bei Verfehlungen lautstark zu widersprechen, wäre das doch ein wichtiger Schritt zur Unabhängigkeit. BERICHT